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BAYREUTH/ Münster Schlosstheater: TRISTAN UND ISOLDE – im gut besuchten Kino

08.08.2015 | Allgemein, Oper

Bayreuth Festspielhaus – Münster Schloßtheater

 Tristan und Isolde am 7. August 2015 – auch hier gut besucht

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Foto: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

 Was die MET kann, können wir auch, beschloß die Festspielleitung  in Bayreuth schon vor einigen Jahren und übertrug Aufführungen in zahlreiche Kinos. Jetzt gab es „Tristan und Isolde“  erstmals im Jahr der Neuinszenierung  – die dritte Aufführung überhaupt – vergangenen Freitag live  in noch mehr Kinos als früher, so auch in das Schloßtheater in Münster. Die Zuschauer  stiegen nicht herauf zum  Festspielhaus, dem Denkmal dafür, was ein von seinem Werk besessener Künstler in einem Leben schaffen kann. Sie  erlebten die  Aufführung ohne übliche Festspielatmosphäre, also u.a. ohne umständliche Parkplatzsuche, ohne Schwitzen auf schmalen Plätzen – es waren 35 Grad in Bayreuth – mit manchmal ungewollt engem Kontakt zum Nachbarn, auch ohne Prominenz oder festliche Garderobe im Publikum. .

Ähnlich wie im Festspielhaus sieht der Zuschauer auch im Kino  das Orchester nicht. Leider wurde das bereits als grosse dynamische Steigerung  mit Darstellung aller melodischen und harmonischen Finessen gespielte Vorspiel als Film-Vorspann mißbraucht. Daß die Namen der Künstler projeziert wurden, mochte man noch akzeptieren, völlig überflüssig waren dann die Schwenks durch das Bühnenbild des I. Aufzugs. In den letzten Takten übertönte die so willkommene Klimaanlage des Kinos das pp der Celli und Kontrabässe. Danach hörte man ohne akustische Abstriche eine  grandiose Wiedergabe der einzigartigen Partitur mit  lyrischen Ruhepunkten, Steigerungen bis hin zu  sorgfältig geplanten daher natürlich wirkenden Ekstasen sowie Durchhörbarkeit der instrumentalen Linien und Harmonien bis in kleinste polyphone Motiv-Teile. Alle instrumentalen Soli  wie z.B. die Solo- Bratsche im I.und die II. Aufzug, die Solo-Geige im III  Aufzug, die Harfe und alle Bläser-Soli waren deutlich  zu hören. Besondere Bewunderung verdiente natürlich das Englisch-Horn zu Beginn des III. Aufzugs. Auch   ppp etwa bei „Urvergessen“ klang sehr leise, aber deutlich. Andererseits tönten die ff – Stellen durchaus als solche durchs Theater. Über das Orchester der Bayreuther Festspiele unter der Leitung von Musikdirektor Christian Thielemann konnte man nur daher schwärmen.

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Copyright: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

Die Bühnenbilder von F. P. Schlößmann und M. Lippert sowie die Regie von Katharina Wagner sind bereits ausführlich kommentiert worden, durch Nahaufnahmen wurde die Wirkung im Vergleich zur Ansicht der Totale aus dem Zuschauerraum verstärkt. So wirkten im I. Aufzug die Piranesi nachempfundenen Treppengestelle mit den beweglichen Abschnitten wohl noch chaotischer. Dass Tristan und Isolde sich den „Liebestrank“ über die Hände gossen statt ihn zu trinken, haben vermutlich  Theaterbesucher  ab der fünfzehnten Reihe nicht sehen können. Das war aber wichtig, weil daran ja während der Fieberphantasien des III. Aufzugs erinnert wird. Viel deutlicher sah man im II. Aufzug auch, wie auf einer Empore ganz oben über dem dreieckigen Gefängnishof Marke und seine Getreuen die Liebenden beobachteten und die Scheinwerfer lenkten. Zu Beginn des grossen Liebesduetts wirkte das Ausschmücken einer als Zelt aufgebauten Wolldecke mit so einer Art Weihnachtsbaumdekoration unpassend. Ganz im Gegensatz dazu war eindrucksvoll, wie während die Liebenden mit dem Rücken zum Publikum das grosse Duett weitersangen, sie als Dopplungen immer sich verjüngten und nochmals ganz im Hintergrund auftauchten.

„Bist Du nun tot? Lebst Du noch?“ fragt Kurwenal Tristan im III. Aufzug und das konnte als Motto für die Regie dienen. Alles war grau in grau (Licht Reinhard Traub), alle auftretenden Personen sassen um den mit Grablichtern umgebenen Tristan herum, der dann für die Fieberphantasien sich jeweils zu den in Dreiecken auftauchenden Isolden begab, letztere mit  ihren Masken-Gesichtern in der Nahaufnahme  recht eindrucksvoll.  Wie bei den MET-Übertragungen auch fragte man sich manchmal, ob vielleicht Teile der Inszenierung bereits mit Blick auf die Film- und Fernsehübertragung konzipiert wurden.

Die Personenführung ließ es zu, daß  neben dem Orchester die Gesangsleistungen für den Erfolg der Aufführung sorgten, voran Stephen Gould als Tristan. Ohne hörbare Ermüdung sang er bis zum III. Aufzug überragend phrasierend, alle Spitzentöne sicher ohne falschen Druck auf die Stimme treffend, perfekt im Legato und Piano („Wie sie selig hehr und milde“), passend für die Partie sein baritonales Timbre. Gleichzeitig war er so weit möglich textverständlich, was besonders die Zuschauer im Festspielhaus erfreut haben dürfte, die im Gegensatz zum Kino ja auf Übertitel verzichten müssen. Hochdramatisch spielte und sang   Evelyn Herlitzius die Isolde mit dem bei ihr schon früher vorhandenem Vibrato und Schwierigkeiten beim Treffen der Spitzentöne. Das machte sie wett durch ihr Spiel, besonders im I. Aufzug, etwa auch ironisch über Tristan spöttelnd, was wiederum wohl in der Nahaufnahme besser zu sehen war. Mühelos übertönte sie bis zum „Liebestod“ das grosse Orchester. Ganz ohne vibrato sang Christa Mayer die Brangäne, wunderbar anzuhören besonders bei den „Hab Acht“ – Rufen im II. Aufzug. Unglaublich langen Atem hatte sie beim letzten „entweicht die Nacht“, weil hier das Tempo ziemlich langsam vorgegeben war. Ebenso stimmlich perfekt gestaltete Iain Paterson den Kurwenal. Den König Marke machte die Regie bekanntlich zum Bösewicht, Georg Zeppenfeld im senfgrünen Mantel (Kostüme Thomas Kaiser) sah auch so aus, sang aber mit seinem sonoren Baß so schön und Mitleid erregend, daß man ihm den Bösewicht kaum glaubte. Auch beim grossen Orchester in der Schlußszene blieb seine Stimme kontrolliert und textverständlich.  Raimund Nolte als auch sichtbar  – in Großaufnahme –  in Isolde verliebter Melot und Tansel Akzeybek als klar verständlicher lyrischer Seemann und Hirt komplettierten das grossartige Sänger Ensemble, letzterer Opernbesuchern aus NRW noch bekannt als hell-timbrierter  Buffo – Tenor in Dortmund.

Für die Kinobesucher gab es in einem Teil der Pausen Interviews mit Mitwirkenden aus den Bereichen Technik, und Kostümgestaltung, natürlich auch mit dem Dirigenten und der Regisseurin – weitgehend das übliche Selbstlob! Vor der Aufführung wurde in einem Gespräch üben den „Tristan . Akkord“ darauf hingewiesen, daß die erst im letzten Takt der Oper erfolgende Auflösung des Akkords nach H-Dur einem durch beider Tod erreichten „Happy end“ gleichkommt.. Insofern mag die Idee der Regisseurin, daß Marke nach dem „Liebestod“ sich Isolde grabschte und sie sich mitnehmen liess, der Handlung einen bitterbösen Schluß geben, zur Musik Richard Wagners passte sie nicht!

Der Saal im Schloßtheater war fast ausverkauft, es wurden nach den Pausen auch nicht weniger Besucher. Parallel zum üblichen Riesen-Beifall im Festspielhaus regten sich auch hier einige Hände , wohl auch deshalb, weil zwei der Hauptdarsteller, Evelyn Herlitzius und Georg Zeppenfeld ihre Karriere in Münster begannen.

 Sigi Brockmann 8. August 2015

 

Fotos Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

 

 

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