Bayreuther Festspiele: LOHENGRIN am 8.8.2012
Der Lohengrin wird hier in der Regie von Hans Neuenfels im Gewande einer Tiergroteske gespielt, denn der gesamte Chor sowie Teile der Solisten (4 Edle) treten sehr häufig im Rattenverband auf, wobei dies aber abnehmbare Tragmasken sind, und auch ihre Verkleidungen legen sie aber im Verlauf des Stückes ganz oder teilweise ab, um am Ende ganz in menschlicher Gestalt zu erscheinen. Es ist viel über diese Volte des Alt- und Großregisseurs Neuenfels spekuliert worden. Letztendlich kann sich aber das das Publikum über die Ratten meist amüsieren. Dabei geht aber über weite Strecken verloren, dass es sich ja eigentlich um menschliche Sänger handelt. Tiere außer vielleicht Vögel können nun mal nicht singen. Die Hauptsolisten werden von den Ratten natürlich ausgespart. Nur Telramund dringt in Rattenmaske ins Brautgemach ein, sie wird ihm von Lohengrin aber sogleich abgezogen. Wenn die angebliche Aggressivität der Ratten aber z.B. ziehen könnte, sind sie zu uniformierten Männern im 3. Akt mutiert, die mit Lohengrin gegen Ungarn losziehen wollen. Ansonsten hat sich Neuenfels mit Rattenwärtern, Laborversuche mit Ratten und Rattenvideos auf der Chorseite ganz auf die Rattenallegorie eingelassen. Demgegnüber steht das Drama des Frageverbots, das er mit versierten Methoden einer beachtlichen Personenregie in Szene setzt, wobei ihm die klar gemeißelten weißen Bauteile der Bühnenarchitektur von Reinhard von der Thannen (auch Kostüme) voll unterstützen.
Der Rattenspaß und das Geplänkel mit dem König ist schnell beendet, wenn Elsa im Vormartyrium mit Pfeilen im Rücken erscheint samt einer Ratteneskorte, die mit Bögen auf sie zielt. Lohengrin, der beim Vorspiel in einer Pantomime versucht hatte, durch eine hermetich verschlossene Tür in die Gralswelt zu gelangen, zeigt sich auf der „Erde“ als martialischer Held, der Elsa befreit, später sie fast gewaltsam von der Frage abhalten will. Elsa dagegen hat einen Hang zur Epilepsie. Konventioneller das böse Paar, das sich wild romantischen Liebesposen hingibt. Choreographisch interessant gestaltet sich auch der ‚Krieg der Königinnen*‘ beim Münsterdefilee. Der junge Gottfried ist dann eigentlich ein Mädchen mit Embryonenmaske, das sich aus dem Schwanenei pellt..Alle liegen inzwischen darnieder, nur Lohengrin steht und verbleibt „terrestrisch“.
In der guten Interpretation der romantischen Oper seitens Andris Nelsons und des Festspielorchesters stellt Samuel Youn mit ‚lauter‘ Stimme einen agilen Heerrufer. Als neuer König tritt Wilhelm Schwinghammer mit deftig baritonalen stimmlichen Mittel auf. Als Telramund ist Thomas J. Mayer glänzend in Form, und man merkt ihm seine bereits gesungenen Wotane an der souveränen Diktion an. Die Ortrud Susan Maclean ist rothaarig (nicht wie ihr auf der Flucht zusammengebrochenes Pferd). Mit jugendlich dramatischen, wuchtigen Stimmbögen, aber bestens dosiert, vermeint sie, in die Handlung maßgeblich einzugreifen und diese beeinflussen zu können. Klaus Florian Vogt kann seinen Vorgänger Jonas K. fast vergessen machen. Wie er aus aus einer eher feminin wirkenden Kopfstimme immer wieder ins Heldisch-brustige vorstoßen kann, verdient Respekt. Mit Annette Dasch hat er aber auch eine reizende großgewachsene Partnerin, die mit ihrem leichten lyrischen Sopran immer wieder narkotisierend zaubern kann.
Friedeon Rosén