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BAYREUTH/ Festspiele: DIE WALKÜRE

12.08.2014 | KRITIKEN, Oper

Bayreuther Festspiele.: Die Walküre  11.8. 2014

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Foto: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

 So geschmeidig, fast kammermusikalisch wirkend, hat das Festspielorchester bei einem Ring noch selten gespielt. Kirill Petrenko versteht es, kleinste Nuancen herauszustreichen, z.B. beim die Tonleiter absteigenden Vertragsmotiv außer wie üblich zu crescendieren, die Tonfolge akkurat und sehr sinnfällig zu verzögern. Aus einem Guß wirkt das (Gewitter-)Vorspiel, rhythmisch äußerst dezidiert, die späteren hohen Violin-Einsprengsel erscheinen wie eingemeißelt. Danach läßt Petrenko alles ganz romantisch aussingen bis zur fulminanten Steigerung der Schwertgewinnung, Siegmunds und Sieglindes Vereinigung. Der Rausch der verminderten Akkorde hat es Petrenko dann in Walhall angetan, die er auskostet bis zu deren Verebbung in der eher diatonisch-ostinaten Todesverkündigung Brünnhildes an Siegmund. Auch am Walkürenritt hat Petrenko mit dem Orchester und den Sängerinnen vorzügliche Arbeit geleistet. Ergebnis ist ein ganz neues Hörerlebnis des Rittes: Äußerst plastisch strukturierte Gliederung, klanglich schön beleuchtete verminderte und übermäßige Akkordgirlanden, die eine gewaltige Steigerung erzeugen; so prägnant und durchgehört die Gesangsphrasen der einzelnen Walküren, dass man sogar den Text versteht. Wotans Strafaktion wirkt danach fast dämonisch, während Schlaflegung Brünnhildes samt Feuerzauber Petrenko wieder eher konventionell gelingen, was aber nichts heißen will. Zurecht gehörte der kleine sympathische Russe zu den umjubeltsten Akteuren.

 Wie sich ja herumgesprochen hat, wird in der Walküre „Baku“ und die Ölgewinnung im Kaukasus zum Regiethema. Neben Bühnenbild und Videoeinspielungen zu diesem Thema bringt es aber nicht viel und wirkt fast folkloristisch, wenn Sprüche und Losungen an der Ölbohrstation sowie Filmtexte in original Kyrillisch geschrieben stehen, was sicher nur eine Minderheit lesen kann. Das eigentliche Drama läßt sich aber aus der intelligent vorangetriebenen Personenführung Castorfs erschließen, die sich wieder durch Einbeziehung des Geschehens im filmischen Mittel noch besser nachvollziehen lässt. Einmal anders und vielleicht wohltuend, dass beim Zweikampf Siegmund – Hunding die göttliche Verdoppelung der Kämpen wegfiel und der Zweikampf dadurch authentischer wirkte.

 Auf der Drehbühne also die die gigantische hölzerne Anlage eines Bohrturms von Baku (Alexander Denic), bei der man sich unwillkürlich an das Trojanische Pferd erinnert fühlen konnte. Aber es kommt hier noch nicht zur Katastrophe, obwohl Maschinenteile öfter in gefährlich anmutende Bewegung geraten. Der Walkürenritt ist auf verschiedenen Turmniveaus ein Festbankett der Baku-Frauen in kaukasischen Nationaltrachten (Kostüme: Adriana Braga Peretzki). Auf der Schiene, die wie in Ausschwitz im Inneren der Anlage endet, kommt vor Brünnhildes  Schlaflegung ein gewaltig nickender Kran herausgefahren, 1942 ist die Anlage, wie in ablaufenden Filmen zu sehen, stark vom Nazikrieg bedroht. Hier kann der Feuerzauber in einem enormen Ölfaß aber noch statthaben.

 Die 8 glänzenden Walküren sind: Rebecca Teem, Dara Hobbs, Claudia Mahnke, Nadine Weissmann, Christiane Kohl, Julia Rutigliano, Okka von der Damerau und Alexandra Petersamer. Fricka wird als orientalische, fast „oströmisch“ wirkende Herrscherin in schwarzer Ganzkörperbekleidung mit vielen goldenen Kettchen dargestellt: Claudia Mahnke singt mit dramatisch tremolierendem Mezzosopran bei ihrer Anklage, nachdem sie von einem Satrapen in die Ölturm-Vorhalle getragen wurde. Siegmund Johan Botha hat alle sängerischen Qualitäten, die der vom Pech verfolgte Wälsung braucht, Wärme im Ausdruck, schönst gedunkeltes Timbre, exquisite Wälse-Rufe. Der „Zugriff“ auf Sieglinde könnte aber noch spontaner kommen, auch wirkt er im schwarzen Umhang wie ein Mönch. Kwangchul Youn als Hunding ist auch in seinem harten, unruhigen Schlaf im Video präsent und gesanglich in großer Baßform. Wolfgang Koch /Wotan gelingt die leichtfüßig elegante Führung seines gut sitzenden dramatischen Baritons. Auch in den tiefen leisen Stellen seiner Erzählung 2.Akt bleibt er so präsent wie auch in den schwärmerischen Sphären des ‚Abschieds‘. Anja Kampe ist die gefeierte Sieglinde, und sie hat auch endlich einmal ein großes ausdrucksreiches Organ für diese wahnsinnige Ausnahmepartie, in der sie ihren reinen Sopran ins Delirium tragen kann. Catherine Fosters Stimme klingt in der hohen Mittellage am Schönsten. Aber auch die Spitzentöne beim Hojo-toho muss sie nicht abreißen, sondern läßt sie rund verklingen. Mit bronzenem, geschmeidig timbriertem Nachdruck gelingt es ihr in hinreißenden Phrasen, Wotan umzustimmen und die Strafe in ein Highlight für sich umzukehren.                                               

Friedeon Rosén             

 

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