BAYREUTH/ Festspiele: DIE WALKÜRE am 9.8.2017
Christopher Ventris (Siegmund). Copyright: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath
Bei der Walküre hat der Regisseur Frank Castorf für ein nues Wälsungenpaar (Camilla Nylund, Christopher Ventris) mehr szenische Bewegung und teilweise Action wie bei Rheingold hinein gebracht. Die Truthähne tapern zwar noch unaufgeregt in ihrem Käfig, aber Camilla Nylund, die nach ihrer Tannhäuser-Elisabeth wieder auf den Hügel zurückgekehrt ist, nützt das weitläufige Areal der Ölförderungsanlage, indem sie treppauf treppab unterwegs ist, und legt dabei bemerkenswerte Sprints hin. Mit Christopher Ventris ist eine sofortige Übereinstimmung des Zwillingspaares fühl- und sichtbar, wenn sich Sieglinde ihm gegüber auch manchmal abwehrend verhält. Nach anfänglich devot unterwürfigen Gesten Hunding gegenüber verhält sie sich dem gegenüber immer dreister, hält ihn auch mit einem Messer auf Distanz. Szenisch also kein Vergleich mit dem Vorgängerpaar Anja Kampe und Johan Botha. Zu Aktende schreiten sie Arm in Arm stolz durch die Halle mit dem Schwert ab.
Das war auch die große Stunde von Dirigent Marek Janowski, der ingeniös das Orchester kammermusikalisch moderiert und schönste musikalisch-metrische Gestalten zum Blühen bringt. Wagner war ja bei der Walküre nicht mehr gerade jung, aber wie der Senior Janowski in diesen Komponisten hineinhören kann und die Kantilenen so frisch wie Morgentau hervorzaubert, Chapeau! Danach werden wir in eine orientalisch russisch-orthodoxe Stimmung versetzt, die sich aber scheint’s bis in die sowjetische Zeit prolongiert hat. Wotan und Fricka sind als orthodoxes Fürstenpaar im Eheclinch, Fricka entwendet ihm die gerngelesene Prawda. Brünnhilde tritt in dieser Phase in einem schwarzweißen Herrencut auf und singt mächtig zur Schau gestellte Hojotohos. Camilla Nylund kommt wegen ihrer eher engen Stimmführunng erst nach und nach in die neue Partie, gestaltet sie aber dann mit hellem schlankem Timbre doch erstaunlich, baut jetzt angstbesetzte Phrasen auf. Hunding Georg Zeppenfeld wirkt auch stimmlich stramm dezidiert. Der Zweikampf kommt dann nur gefilmt, nicht life, nur Wotan greift später bei Hunding ein, ihn tötend und zu Fricka schickend. Janowski hört in diesem Akt wie auch im Schlußakt auch besonders die harmonischen Kühnheiten und Verästelungen heraus, die zu einer ganz neuartig wirkenden Interpretation führen.
Nach einem auch ganz orientalisch anmutenden Walkürenritt mit teils schwarz verschleierten Walküren, die sich in ihren verschiedenen Trachten zum Kaffeekränzchen einfinden, schlägt die große Stunde von John Lundgreen /Wotan. Die leisen geheimnisvollen Passagen /’als jungerTage mir verblich“ sind noch nicht so sein Ding, aber gegenüber den ‚Winselnden‘ baut er sich muskulös auf, und nach abgelegter orientalischerr Haar- und Barttracht mit polierter Glatze, läßt er auch seinen blanken Stahlbaß mächtig losorgeln. Er steigert sich immer mehr hinein, bis er emphatisch die Idee des Feuerwalls um Brünnhild übernimmt und ihr einen wilden fast gewaltsamen Kuß auf die Lippen drückt, von dem der Lieblingstochter noch lange danach die Lippen brennen.
Die Walküren singen Caroline Wenborne, Dora Hobbs, Stephanie Houtzeel, Nadine Weissmann, Christiane Kohl, Mareike Moor, Simone Schröder und Alexandra Petersamer mit einem wirklich unwiderstehlichem Sog. Fricka gibt Tanja Ariane Baumgartner mit gediegenem gesättigt wohlklingendem Mezzo. Catherine Foster entfaltet blühenden Stimmfarben gegen Ende bei teils berückendem Timbre. Ihre Brünnhilde-Marke ist: wenig Vibrato, also gute Sopran-Erdung, aber manchmal auch leichte Intonationsmängel bei den hohen Tönen. Christopher Ventris ist auch gesanglich ein prächtiger Siegmund, der sattes Stimmmaterial wuchtig ausbreiten kann.
Friedeon Rosén