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BAYREUTH / Festspiele: DER „RING 1“ IM LETZTEN AUFFÜHRUNGSJAHR. Gesamtanalyse

05.08.2017 | Allgemein, Oper

Bayreuther Festspiele 2017, Der Ring I im letzten Aufführungsjahr (29.7. bis 3.8.2017), Gesamtanalyse

Szenische Ausrichtung

Bildergebnis für Bayreuth: das rheingold
„Das Rheingold“. Copyright: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

 Regie: Frank Castorf, Bühne: Aleksandar Denic, Kostüme: Adriana B. Peretzki, Licht: Rainer Casper, Video: Jens Cruli und Andreas Deinert

Frank Castorf hat sich nicht für dieses Projekt aufgedrängt, sondern ist als Einspringer zwei Jahre vor der Premiere im Jahre 2013 gebeten worden, die Regie kurzfristig zu übernehmen. Wer den Regisseur kennt, weiß, dass er ein unbequemer, stets provozierender Interpret ist, der sich auf keine Kompromisse einlässt.  Seine ausschweifenden Sprüche haben keinen ernsthaften Charakter. Er fühlt sich wohl, wenn er entweder hochgejubelt wird oder seine Arbeit auf strickte Ablehnung trifft. Mittelmaß ist ihm zuwider.

Kritische Auseinandersetzung mit den Gesellschaftssystemen

Statt der textbezogenen und vom Komponisten vorgegebenen Handlung, setzt Castorf beim Ring auf eine freie Deutung. Wer auf eine chronologische Reihenfolge pocht  und einzelne Szenen hinterfragen will, wird eventuell enttäuscht sein.  Die Regie thematisiert vorbehaltlos mit all seinen Schwächen die beiden Systeme, den Kapitalismus und den Kommunismus. Berlin wurde gewählt, weil hier auf engstem Raum beide Systeme zu erleben sind.  Das ist auch im Sinne des Komponisten, der sich ausgiebig in seinen Schriften und Briefen zur Bedeutung seines Ringprojekts geäußert hat. Vieles ist zwar übertrieben, aber insgesamt kann man von einer spannenden, abwechslungsreichen und hoch effizienten Inszenierung sprechen, die in großer Zahl ein jugendliches Publikum anlockt und zugleich begeistert. Dazu kommen noch die ideenreichen und außergewöhnlich interessanten Bühnenbilder. Humor und Parodie werden reichlich präsentiert (beispielsweise die Kalaschnikow im Siegfried und die blutverschmierte Leiche in der Götterdämmerung im dritten Akt). Das Gold mutiert zu den verschiedenen Produkten der Erdölgewinnung, angefangen vom Benzin, bis hin zu den Kunststofferzeugnissen. 

Starke Beeinträchtigung des Hörgenusses durch Ablenkungsmanöver

Videoeinblendungen gehören mittlerweile zum Alltag, aber eine so umfangreiche Ansammlung überschreitet das Aufnahmevermögen vieler Zuschauer. Vor allem bei großen Klangpassagen wirken sie dermaßen störend, dass die musikalische Wirkung stark beeinträchtigt wird. Beispielsweise in der Walküre im 2. Akt, bei der großen Szene, Wotan mit Brünnhilde, mit der Erdölpumpe oder beim Trauermarsch in der Götterdämmerung, bei der auf Video Hagen umherirrt. Der Höhepunkt aber ist im 3. Akt Siegfried, bei der Begegnung Siegfried mit Brünnhilde. Seit dem Beginn im Jahre 2013 haben sich die Krokodile jährlich vermehrt und im Jahre 2017 bevölkern diese Krokodile fast den ganzen Bühnenraum. Angeblich sollen sich bei Kriegsende 1945, Krokodile auf dem Alexanderplatz in Berlin verirrt haben. Glücklicherweise gibt es 2018 diesen Ring nicht mehr, sonst würden sie vielleicht aus Platzmangel auf den Zuschauerraum ausweichen.

Bildergebnis für bayreuther festspiele Götterdämmerung
„Siegfried“. Copyright: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

Musikalische Ausarbeitung auf höchstem Niveau

Bei der musikalischen Interpretation der Partitur, muss man dem Dirigenten Marek Janowski ein großes Kompliment machen. Er ist nicht detailbesessen, sondern legt Wert auf die großen Zusammenhänge. Vor allem die Übergänge der Handlungen sind bewundernswert, beispielsweise in der Götterdämmerung Siegfrieds Abschied von Brünnhilde, anschließend Siegfrieds Rheinfahrt und darnach der Übergang zu der kalten, Furcht erregenden Gibichungenwelt. Beim Pianissimo muss man allerdings die Ohren spitzen, um die Wirkung wahrnehmen zu können.

Seltsamerweise waren die Einsätze bei den Rheintöchtern im Rheingold nicht immer präzise und in der Walküre wurde einmal ein Einsatz gänzlich verpasst. Diese Beurteilung geschieht auf hohem Niveau. Ansonsten werden die Sänger gut geführt. Das Ergebnis ist eine gute bis teilweise hervorragende Gesangsleistung. Zu Recht bekam der Dirigent Janowski an den vier Abenden einen starken und nachhaltigen Applaus.

Die dargebotene Gesangsleistung auf Festspielniveau 

Ein kleiner Auszug:

Musikalische Leitung: Marek Janowski,

Wotan in Rheingold: Jain Paterson, Wotan in Walküre: John Lundgren, Wanderer in Siegfried: Thomas J. Mayer, Alberich: Albert Dohmen, Mime: Andreas Conrad, Fafner: Karl-Heinz Lehner, Fasolt: Günther Groissböck, Loge: Roberto Sacca, Brünnhilde: Catherine Foster, Siegfried: Stefan Vinke.

Ohne die großartigen Leistungen der übrigen Sänger schmälern zu wollen, kann man die Brünnhilde von Catherine  Foster, als die Persönlichkeit für den gesamten Ring, bezeichnen. Neben ihrer sicheren Höhe, der ausdruckstarken Stimme, hat sie die Herzen der Zuschauer an allen drei Abenden erreicht.

Im Gegensatz zu früheren Jahren ist seit der Präsenz des neuen Musikdirektors ChristianThielemann eine Steigerung der musikalischen Ausführung erkennbar  geworden.

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Götterdämmerung“. Copyright: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

Auffällig ist, dass man jährlich eine gewisse Anzahl von so genannten Stammgästen, Tendenz steigend, trifft, obwohl die Holzbestuhlung mit der zu kurzen Rückenlehne manchmal erhebliche Rückenschmerzen verursacht und das Festspielhaus kein Foyer besitzt, was bei einem Unwetter zum Problem werden kann. Warum nehmen dieses Besucher solche Strapazen auf sich? Dafür gibt es reichhaltige Gründe. Der wohltemperierte Orchesterklang, gemischt mit den Stimmen auf der Bühne, ist weltweit einmalig und macht manchen Besucher geradezu süchtig. Es kommt schon vor, dass einige Besucher nach Abschluss der letzten Aufführung, die Monate zählen, bis es wieder heißt, Bayreuther Festspiele 2018.

 

Franz Roos     

 

 

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