Basel: Theater Basel – Grosse Bühne – Ballett Basel „Die Liebe kann tanzen“ – Uraufführung/Premiere vom 18.12.2014
Die Liebe und die schweigende Bewegungswelt
Copyright: Ismael Lorenzo
„Für mich ist das Choreographieren immer wieder der Versuch, in unsere schweigende Bewegungswelt hinein zu gelangen, um dort der hohen Flüchtigkeit des Wortes zu entkommen“, so Choreograph Stephan Thoss zu seiner jüngsten Arbeit „Die Liebe kann tanzen“ am Theater Basel im Programmheft. Seine Sprache ist eindeutig der Tanz. Mit „treibender Musik“ soll der Körper dazu gebracht werden, das zu sagen, „was er uns zu erzählen hat“. Der hoch musikalische Stefan Thoss stellt für seinen grossen Abend einen Reigen aus Musikalien von Ezio Bosso, Arvo Pärt, Valentin Silvestrov, Johann Paul von Westhoff, und Thomas Larcher, ergänzt durch zwei eigene Tonband-Collagen, zusammen, dessen Ausgangspunkt und Zentrum Johann Sebastian Bachs „Musikalisches Opfer“ ist.
Wie schon bei „Blaubarts Geheimnis“ in der vergangenen Saison scheint Thoss tänzerische Grenzen sprengen zu wollen. Bei Bach und Pärt fällt auf, dass sich Stefan Thoss nicht nur mit „Tanz im Takt“ zufrieden gibt, nein – nun wird auch möglichst jede einzelne Note der Partitur durch Bewegung sichtbar gemacht. Jede einzelne Faser der Tänzerinnen und Tänzer scheint elektrisiert in Bewegung zu sein. Der Zuschauer wird mit unglaublicher choreographisch unerschöpflich vielfältiger Sprache, welche so individuell, faszinierend und einzigartig ist, wie die einzelnen Persönlichkeiten auf der Bühne, konfrontiert.
Die Compagnie des Ballett Basel lässt sich begeistert in diese neue Herausforderung ein und brilliert von der ersten bis zur letzten Note bzw. Bewegung. Stefan Thoss gelingt hier ein Abend, welcher von beeindruckenden Ensembleauftritten sowie bestechenden Soli und Duetten lebt.
Verstärkt wird das Augenmerk dabei auf den amerikanischen Ausnahmetänzer Armando Braswell gelenkt, der erneut sprunggewaltig, athletisch-ausdrucksstark sämtliche Register seiner Kunst zieht. Seine „Partnerin“ Andrea Tortosa Vidal steht ihm da um nichts nach. Und immer wieder löst sich ein Tänzer aus dem Ensemble, der mit seiner körperlichen Virtuosität und enormen Ausstrahlung verblüfft: der Chinese Ruochen Wang. Virtuosen Ausdruck pur auch bei Tana Rosas Suné und Debora Maiques Marin! Diese Namen stellvertretend für alle grossartigen Tänzerinnen und Tänzer der Basler Compagnie, welchen eine perfekte Leistung in einem erneut äusserst anspruchsvollen Projekt gelingt.
Wesentlich dazu trägt auch das Sinfonieorchester Basel unter der musikalischen Leitung von Timothy Henty bei. Die Verschmelzung von Bühnengeschehen und Orchestergraben gelingt perfekt! Wie schon bei „Blaubart“ könnte das Sinfonieorchester daraus einen unter die Haut gehenden Konzertabend gestalten. Am Flügel brilliert, wie schon im „Blaubart“-Abend, Christina Bauer, welche ihre pianistische Vielfalt erneut gekonnt unter Beweis stellt.
Wenn ich könnte, würde ich diesen Bericht nicht schreiben – sondern tanzen. Das könnte durchaus im Sinn des Tanzkünstlers Thoss sein: Denn der Tanz – die schweigende Bewegungswelt – ist wohl die einzige Sprache, mit welcher man das, was an diesem Abend abgeht, adäquat lautstark ausdrücken kann.
Michael Hug