Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BASEL/Schauspielhaus: Ballett Basel: „B/E“ – Premiere

Basel: Theater Basel – Schauspielhaus – Ballett Basel: „B/E“    –  Premiere: 23.09.2016

 Mit einem zweiteiligen Abend, welcher einzig die Anfangsbuchstaben der Namen der beiden aufgeführten Choreographen als Titel führt, startet das Ballett Basel in die neue Saison – und dies für einmal nicht auf der grossen Bühne, sondern im Schauspielhaus. Wir erinnern uns: Die Theaterleitung des Theaters Basel hat es sich auf die Flagge geschrieben, dass sämtliche Sparten des Dreispartenhauses auf allen Bühnen präsent. Diesem Grundsatz bleibt die Intendanz unter Andreas Beck auch in ihrer zweiten Basler Spielzeit treu. Ein interessanter Ansatz, der jedoch eine so energiegeladene Compagnie wie das Ballett Basel sehr stark eingrenzen muss – sollte man meinen. Weit gefehlt, denn Ballettdirektor Richard Wherlock gelingt es, für diesen Abend zwei Choreographen zu gewinnen, deren Arbeiten bestens auf die kleine und auf Schauspiel zugeschnittene Bühne passen.

Im Schaffen der Schweizer Choreographin Joëlle Bouvier spielt die Improvisation eine zentrale Rolle. So ist mit der 2003 in Nancy uraufgeführten „Jeanne D’Arc“ ein Bilderreigen zu einer Musikcollage der Choreographin  entstanden, welcher Tanz mit Tanztheaterelementen kombiniert. Die Titelheldin wird mit zwei Tänzerinnen besetzt. Bouvier zeichnet so die Lebensgeschichte der tragischen Heldin als Blick in die Vergangenheit. Auf dem Weg zum Scheiterhaufen erinnert sich Jeanne an das, was geschehen ist – und kann nicht nachvollziehen, wie ihr jetzt geschehen soll. Debora Maiques Marin und Ayako Nakano als Jeanne sind die beiden einzigen Tänzerinnen des Stücks. Sie brillieren mit viel Ausdruck und höchster Sensibilität. Den Rest bestimmen die sprunggewaltigen Herren. Als Erzählhilfsmittel dienen Holzbretter, welche, von den Tänzern getragen und zusammengefügt, mal als Jeannes Kerker, eine Treppe oder als Passionskreuz figurieren und so auch zu starken Bildern beitragen. Der eher schwere Bilderreigen entlockt dem Publikum wohlwollenden, wenn auch nicht den vielleicht erhofft frenetischen Beifall.

„Cacti“, eine von etwa 35 Choreographien des Schweden Alexander Ekman handelt „vom Betrachten der Kunst“. Ausgangspunkt des Stücks sind Freunde des Tanzschöpfers, welche „keinen Zugang mehr zur Kunst finden und das Gefühl hätten, die zeitgenössische Kunst sei einfach nicht an sie adressiert“. Offensichtlich zeitgleich ärgert sich Ekman über die Rezensenten, welche in (seiner Meinung nach) nichtssagenden und leeren Stücken kompliziert analytisch Sinn und Inhalt hineininterpretieren.

Zum Glück habe ich im Vorfeld das Programmheft gelesen – und komme somit gar nicht erst auf die Idee in „Cacti“ irgend etwas interpretieren zu wollen. Ein weiser Entschluss, denn so komme ich vielleicht zu den vom Choreographen im Programmheft gewünschten „unerklärlichen Gefühlen oder klaren Botschaften“ – sicher aber zu einem höchst amüsanten Tanzvergnügen, welchem sich die Compagnie mit wahrster Lust hingibt.

Die Tänzerinnen und Tänzern bestreiten das Werk auf einem quadratischen „Baustein“ (Bühne und Kostüme: Alexander Ekman), winken, wedeln mit den Armen und verrenken sich den Oberkörper und versuchen überzeichnet effekthascherisch mit sinnlos witzigem Nichts auf technisch höchstem Niveau (die anwesenden Kritiker – und alle anderen) zu Interpretationen zu verlocken. Wer das Programmheft im Vorfeld gelesen hat, weiss sich dagegen zu wehren. Da lassen einen die künstlichen Kakteen, welche zwischendurch durchaus phallistisch gedeutet werden können, völlig kalt und machen einfach nur abstrusen Spass.

Damit eine solche Verballhornung funktioniert, muss sie professionell gekonnt aufgegleist und entsprechend getanzt sein. Beides ist hier der Fall. Alexander Ekmans Choreographie ist künstlerisch brillant und witzig – der Mann versteht sein Handwerk – und sorgt für viel Ballett-Spass, an dem sogar „ernsthafte“ Fans ihre helle Freude haben.

Das Ballett Basel, welches den einen oder anderen schmerzlichen Abgang zu beklagen hat, sich aber gleichzeitig über wunderbare Neuzugänge freuen darf, präsentiert sich bereits zu Beginn der Spielzeit als in sich gefestigte, heterogene Truppe, welche sich in gewohnter Manier gekonnt in die unterschiedlichsten choreographischen Sprachen einlässt und diese mehr als nur gekonnt umsetzt.

Grosser Abschlussapplaus des Publikums – voller Vorfreude auf das, was uns das Ballett Basel in dieser Saison noch bieten wird.

Michael Hug

 

Diese Seite drucken