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BASEL/ Stadtcasino: „WORLD ORCHESTRAS“ mit Sinfonia Varsovia und Anne Sophie Mutter

Basel: AMG Konzertserie: World Orchestras. Stadtcasino Basel, Musiksaal 13.2.2013

 Mit einer “Standing Ovation“ wird im fast ausverkauften Musiksaal Anne-Sophie Mutter und die Sinfonia Varsovia unter der Leitung des jungen französischen Dirigenten Michael Francis verabschiedet und zum Wiederkommen aufgefordert.

 Der Abend beginnt mit “Partita“ für Violine obligates Klavier und Orchester von Witold Lutoslawski, 1988 der Violinistin Anne-Sophie Mutter gewidmet.

 Das “Allegro“, virtuos dargeboten durch die Solistin und außerordentlich feinfühlig begleitet von der Sinfonia leitet über in den 2.Teil “Ad Libitum“, in welchem der Dialog mit der Pianistin Agnieszka Kopacka-Aleksandrowic sehr gefühlvoll geführt wird. Beim “ Largo“ wiederum kann man klar hören, dass das Werk Lutoslawskis von einem Violinisten für Violinisten geschrieben wurde. Im „“ Ad Libitum“, dem Zweiten, ist wieder die Emotion, das Gefühl vorherrschend und nicht die absolute Virtuosität, welche ein Markenzeichen von Mutter ist. Das “Presto“ zum Abschluss der Partita jedoch fordert Orchester, Dirigenten und die Solistin zur Höchstleistung, welche nicht auf sich warten lässt und von den Basler Konzertbesuchern mit einem verdienten Applaus belohnt wird.

 Die Partita ist unzweifelhaft eine Bravour – Leistung für jeden Solisten. Anne-Sophie Mutter ist technisch hervorragend, lässt aber in den virtuosen, schnellen Passagen ein leichtes Gefühl der Kälte aufkommen. Es fehlt die Emotion, das Feeling, welche bei den weniger schnellen, weniger (?) technisch fordernden Passagen durchaus zu fühlen/hören ist.

 Nach einer kurzen Pause folgt von Benjamin Britten: “Variationen über ein Thema von Frank Bridge Op.10“ für Streichorchester, uraufgeführt in London 1937.

Hervorragend sind die Streicher in der gesamten Besetzung, das kompetente Dirigat von Michael Francis und eine Musizierfreude, welche mitreißt und ansteckt, prägen die Darbietung der Sinfonia Varsovia.

Das Werk ist leicht verständlich und sehr eingängig. Einleitung und Thema werden unprätentiös gespielt. Die “Variation 1 Adagio“ wird gefühlvoll ohne große Effekte dargeboten, in der “Variation 2 March“ wird fröhlich marschiert, ich spüre es förmlich. Die “Variation 3 Ro-mance“ ist ein Vorspiel für den Valentinstag, und nach Italien reisen wir in der “Variation 4 Aria Italiana“ .Die “Variation 5 Bourrè classique“ ließ mich eher kalt. Wiener Blut ist zu spü-ren in der “Variation 6 Adagio“ und in der “Variation 7 moto perpetuo“ hören wir, mit ein bisschen Fantasie, Zugsräder, welche uns nach Basel zurückbringen. Mit der “Variation 8 Funeral march“ denken wir mit Bedauern an das Endes dieses Abends. In der “ Variation 9 Chant“ haben wir Lust mitzusingen und die “Variation 10 Fugue and Finale“ löst in uns den Wunsch nach mehr aus. Na,Na, So viel Fantasie!

Der Klangkörper der Sinfonia ist ungeheuer kompakt, stringent und präzise. Da wird jede noch so kleine Phrasierung hörbar. Die Dynamik des Orchesters von ppp bis fff ist makellos und erinnert ein bisschen an die Arbeit von Ferenc Fricsay mit den von ihm geleiteten Orchestern: schlank, leicht und ohne falschen Pathos, präzise, ohne unmenschlich zu wirken, mit Gefühl/Bauch!

 All dies gilt für das nächste Werk Arvo Pärt: “Cantus in Memoriam of Benjamin Britten“, für Streichorchester und Glocke aus dem Jahr 1977. Alles was ich über die Sinfonia geschrieben habe, kommt auch hier zur Geltung: Die Dynamik, Präzision, der saubere Klang, die makellose Technik des gesamten Klangkörpers und auch die Uniformität der Expression. Arvo Pärts Werke sind für mich musikalische Werke des Expressionismus, auch wenn Pärt ein Komponist des 20./21. Jahrhunderts ist.

Die Dirigierfreude von Michael Francis ist spürbar und auch deutlich sichtbar in seiner Körpersprache, mit welcher er die Sinfonia anfeuert/bewegt und zur Höchstleistung zwingt.

 Den Abend beschließt das einzige Violinkonzert von Peter Iljitsch Tschaikowsky:“Konzert D-Dur Op.35 für Violine und Orchester

Anne-Sophie Mutter als Violinistin der obersten Klasse bewältigt den Solopart mühelos! Die auskomponierte Solokadenz im 1.Satz lässt technisch fast nichts zu wünschen übrig. Vielleicht noch etwas präziser im Ansatz, vielleicht eine Spur zu schnell, ein bisschen differenzierter in der Agogik, ein bisschen dynamischer in der Ausdrucksweise. Wünschenswert wäre etwas weniger Routine – ein sich Rückbesinnen auf das Werk? Sehr gefühlvoll angelegt die Canzonetta. Fulminant und bravourös meistert Mutter auch den Schlusssatz des Werks.

 Das Orchester spielt wesentlich verhaltener und der Solistin untergeordnet, zu untergeordnet für meinen Gusto. Werke für Solo-Instrument und Orchester dürfen nicht zur reinen Selbstdarstellung des Solisten führen. Es ist “Teamarbeit“ im wahren Sinn des Wortes. Die Werk-Auffassung des Solisten sollte die unterstützende/mitwirkende Arbeit des Orchesters nicht marginalisieren. Wenn diese Marginalisierung, eingebildet oder wirklich vorhanden, sich dann in der Körpersprache des Dirigenten beim Leiten des Orchesters ausdrückt, wenn das Orchester nicht mehr die ursprünglich Spielfreude zeigt, ohne dass die musikalische Präzision verloren geht. Für diese, meine persönliche Auffassung mag eine Einspielung desselben Wer-kes mit Yehudi Menuhin als Solist und dem Rias Symphonie-Orchester Berlin unter Ferenc Fricsay aus dem Jahr 1949 zeugen.

 Die Basler Konzertbesucher danken allen Künstlern mit einem langen Applaus und mit der Eingangs erwähnten “Standing Ovation“. Im Musiktheater wären es ungefähr 10 Vorhänge gewesen, also ein voller Erfolg für die Musik und die Organisation: AMG Konzertgesellschaft, Basel.

 Ein Konzertbericht aus Basel von Peter Heuberger

 

 

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