Basel: Stadtcasino – „Garrett spielt Brahms“ – 25.9.2013. Brillanter Star mit technischem Glanz
Das Sinfonieorchester eröffnet seine Konzertsaison mit einem Knaller: (Pop-)Star Violonist David Garrett steht mit dem Konzert für Violine und Orchester, D-Dur, op. 77 von Johannes Brahms auf dem Programm. Im Handumdrehen ist das Konzert ausverkauft und nebst zahlreichen Neuabonnenten drängen nun auch Garrett-Fans in den Konzertsaal, der so proppenvoll ist, wie schon lange nicht mehr. Die Garrettianer müssen sich aber noch etwas in Geduld üben, denn der erste Teil gehört ausschliesslich dem eigentlichen „Star“ des Abends, dem Sinfonieorchester Basel. Dieses lässt so quasi als Ouverture „The Chairman Dances“, Foxtrott for Orchestra von John Adams, ertönen. Dieses spannende Stück beginnt still und leise in wenigen Orchestergruppen, steigert sich zu orchestralem Vollklang, mit Jazz-Klängen durchmischt, überrascht mit einem Salon-Walzer und klingt dann mit Klavier und Trommeln still und leise aus. Das Sinfonieorchester präsentiert sich in Höchstform! Danach begrüsst Chefdirigent Dennis Russel Davies vergnügt das Publikum, freut sich über den ausverkauften Saal und die zahlreichen neuen Abonnenten. Anschliessend gibt der Maestro eine Einführung in die Motive und den Aufbau des nächsten Werkes: Konzert für Orchester (1950 – 1954) von Witold Lutoslawski. – Ein geschickter Schachzug, denn so wird das gar nicht einfache Werk auch für die weniger konzerterfahrenen Besucher greifbarer und verständlicher. Aufgrund des grossen Schlussapplauses – und die (falschen) Applause zwischen den Sätzen – wage ich die Annahme, dass doch der eine oder andere Zuhörer die Schwellenangst vor „rein klassischen“ Konzerten abbaut. – Warum aber Lutoslawski? Einerseits feiert der Komponist heuer seinen 100. Geburtstag, andererseits war er zu Lebzeiten eng mit Basel verbunden und mit Paul Sacher befreundet. In den drei gross angelegten Sätzen des Konzerts werden ein bzw. mehrere Motive aufgegriffen, von jeweils anderen Instrumentengruppen wiederholt und durch die übrigen musikalisch untermalt. So erhält jedes Motiv mehrere unterschiedliche Dynamiken und Klangfarben. Auch hier musiziert das Sinfonieorchester unter seinem Dirigenten auf höchstem Niveau.
Nach der Pause dann der ersehnte Auftritt von Publikumsliebling David Garrett. Irgendwie ist es verständlich, dass Garrett ausgerechnet das Violinkonzert von Johannes Brahms gibt, denn dieses Werk hat der Komponist dem Violin-Virtuosen Joseph Joachim auf den Leib bzw. auf die Geige geschrieben. Und ein Virtuose auf seinem Instrument ist David Garrett zweifellos auch. Das beweist er auch an diesem Abend; er meistert das Konzert technisch mühelos und beeindruckt mit seinen Läufen und Doppelgriffen. Nun ist David Garrett aber nicht nur ein Ausnahme-Geiger sondern vertritt auch seine eigenen musikalischen Anliegen. So sieht er sich berufen junge Menschen an die klassische Musik heranzuführen. Und dies tut er in seinen Arrangements mit dem Mix von Klassik mit Pop, Rock und Blues. Die Rechnung geht auf; seine Fan-Gemeinde besucht auch des Meistergeigers „reine“ Klassik-Konzerte und David Garrett wird zum „Pop-Star der Klassik“. Und als solcher tritt er im Basler Stadtcasino auch auf. Er lässt sich einen Bambus-Barhocker aufs Podium bringen und versinkt dort sichtbar in die Orchestereinleitung, steht zwischendurch auf, geht vermeintlich mit der Musik mit – kurz: David Garrett bietet – wie Lang Lang auch – die optische Show, welche seine Fangemeinde von ihm erwartet. Unterstützt wird er zudem durch Dirigent Davies, welcher das Orchester stark zurück nimmt; so kommt des Solisten brillante Virtuosität bestens zum Tragen. Das Emotional-künstlerische bleibt jedoch weitgehend auf der Strecke, das Konzert gerät etwas zur Pflichtübung. wirkt oft getragen und zuweilen etwas lang und weilig. Zur Kür läuft David Garrett mit seinen Zugaben, welche er gleich charmant selber ankündigt, auf. Er begeistert, zusammen mit dem Orchester, zuerst mit einem Stück von Kreisler, um dann mit Paganninis hier weitläufig bekanntem „Mein Hut, der hat drei Ecken“ einen grossartigen, virtuosen Schlusspunkt zu setzen. – Alles in allem: Ein gelungenes Eröffnungskonzert des grossartig aufspielenden Sinfonieorchester und seinem Dirigenten sowie mit einem virtuosen, sympathischen David Garrett im Spannungsfeld zwischen den Ansprüchen an (Pop-)Star und (Klassik-)Künstler.
Michael Hug