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BASEL/ Schauspielhaus: «TOM SAWYER UND HUCKLEBERRY FINN nach Mark Twain. Premiere

29.11.2014 | Allgemein, Theater

Theater Basel, Schauspielhaus: «Tom Sawyer und Huckleberry Finn» nach Mark Twain, Pr. 28.11.2014

Unbenannt
Lorenz Nufer und David Berger. Foto: Judith Schlosser
 
 
Früher kannte jeder Junge die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn aus dem berühmten 1876 erschienenen Roman von Mark Twain. Mein zehnjähriger Neffe kennt nur noch den Film und die Fernsehserie. Nichtsdestotrotz: Er ist über alle Details genauestens informiert. Bei Beckys erstem Auftritt werde ich sogleich darauf hingewiesen, dass Tom bald was mit anfangen wird.

Niklaus Helbling inszeniert die bekannten Jungenabenteuer als genau das, ohne Moral und ohne Interpretation, was herrlich erfrischend ist. Untermalt werden die Bubenstreiche durch eingängige Songs von Kurt Weill, die dieser eigens dafür (aber auch für anderes) komponiert hat (musikalische Leitung: Martin Gantenbein).

Alle Schauspieler ausser David Berger, der den Tom etwas hölzern aber überzeugend spielt, haben Doppelrollen, manche sogar Dreifachrollen, eine logistische Glanzleistung, die den Darstellern hoch angerechnet werden muss. Star des Abends ist unbestreitbar Lorenz Nufer als Huckleberry, nicht nur weil sich jeder Junge im Saal mit ihm identifizieren kann und will, sondern weil seine körperintensive Darstellung des freiheitsliebenden Lausbuben einfach glänzend ist.

Katka Kunze überzeugt ebenfalls vor allem als ständig besoffener Muff Potter, und muss ausserdem auch die Rollen der Tante Polly und der Lehrerin bestreiten. Mareike Sedl passt besser in die Rolle der Mrs. Harper als die der Becky Thatcher, und Vera von Gunten kann sich als Witwe Douglas (die Huck auch mal nicht ganz jugendfrei an die Wäsche will) ausleben, während sie sich als Amy Lawrence und Pfarrer zurückhalten muss. Dirk Glodde ist etwas zu alt für die Rolle des Sid, als Richter Thatcher und Doktor Robinson kann er aber überzeugen. Silvester von Hösslin spielt die Rolle des Bösewichts Indianer Joe mit Genuss, daneben auch den Pit Harper.

Logistisch gesehen wie gesagt ein Meisterwerk, an der Personenführung und am Ausdruck (Dramaturgie: Bettina Ehrlich) könnte noch geschliffen werden. Wunderschön sind hingegen die Kostüme der Zeit von Kathrin Krumbein und absolut fantastisch das Bühnenbild von Alain Rappaport: Ob der unheimliche Friedhof oder die Tropfsteinhöhle als unterer Teil der Bühne unter der Stadt: Hier wurde mit relativ geringem Aufwand wirklich der maximale Effekt herausgeholt. „Cool“ meint mein Neffe.

 Die meisten Details des Romans wurden liebevoll und lustig umgesetzt, so auch die berühmte „Zaunstreichszene“. Die zahlreichen Kinder im Publikum jedenfalls fiebern jede Sekunde mit – und kennen sich aus. Und als der Schlusssong „gib deinem Leben den Huckleberry Sinn“ vorschlägt, tobt das Haus. Nur mein Neffe ärgert sich noch, dass Becky und Tom nicht gleich auf Indiana Joes Idee mit dem Bindfaden in der Höhle kommen. „Die Bösen sind immer gescheiter als die Guten.“ So viel zur Moral von der Geschicht‘.

 Fazit: Hingehen. Vorher aber Roman wiederlesen. Oder sich neben einen gutinformierten Zehnjährigen setzen.

 Alice Matheson

 

 

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