Basel: Scala – swiss offspring ballet (S. o. b.) – «Il Ballo»
– 11.06.2021
Aufkeimende Lebensfreude
Foto: Swiss Offspring
Gerade kleinere Formationen trifft die Corona-Krise besonders hart. Umso bewundernswerter ist es, wenn gerade diese künstlerischen Projekte den Widrigkeiten die Stirn bieten und oft unter schwierigsten Umständen ihre Visionen und Geschichten auf die Bühne bringen – wenn immer möglich.
Das swiss offspring ballet ist ein Trainings- und Bühnenpraxisprogramm aus der Zürichsee-Region, welches es sich auf die Flagge geschrieben hat jungen, frisch ausgebildeten Tänzerinnen und Tänzern Auftrittsmöglichkeiten zu bieten und dabei wertvolle Bühnenerfahrungen an grösseren Bühnen zu sammeln. Nach coronabedingt schwierigen Trainings ist die Truppe seit April in Uetikon am See (dort befindet sich das Studio des S. o. b.), Winterthur, Schaffhausen und eben in Basel mit den Produktionen «Torsi» und «Il Ballo», – zweitere wird hier besprochen – unterwegs. Der nicht nur nervenaufreibende Effort hat sich gelohnt: Mit «Il Ballo» ist ein ansprechender Tanzabend, an welchem die acht Tänzerinnen und Tänzer aus vier Nationen sich sowohl im Ensemble als auch solistisch einem grösseren Publikum vorstellen können, gelungen.
Als künstlerischer Leiter und Choreograph des S. o. b. wirkt der Basler Franz Brodmann, der in Basel bei Fred Aenis seine tänzerische Ausbildung erhielt und diese dann 1983 – 1985 an Maurice Béjarts MUDRA International School in Bruxelles vollendete. In der Folge war er an verschiedenen Häusern (z. B. Zürich, Bern, Luzern) als Tänzer engagiert und arbeitete mit so bedeutenden Choreographen wie Uwe Scholz, Bernd Bienert und Heinz Spoerli zusammen. Choreographisch wirkte der Basler Künstler unter anderem beim Ballett des Hessischen Staatstheaters in Wiesebaden, beim Schweizer Kammerballett sowie dem Nationalballett Brno.
Mit «Il Ballo» verschreibt sich Choreograph Brodmann dem Barock und kombiniert die klassische Ballettsprache mit modernen Elementen. Dies geschieht nicht in Form des krassen Gegensatzes sondern als Ergänzung und Weiterentwicklung des tänzerischen Wortschatzes. Fast unmerklich fliessen Bewegungen des Modern- und Jazz-Balletts mit ein und verschmelzen mit den klassischen Formen. So werden die rhythmischen Akzente der Musik verstärkt. Damit liefert Brodmann den Beweis, dass Barock und die heutige Pop-Musik gar nicht soooooo weit auseinanderliegen. Die insgesamt vierzehn Nummern zu grossen Barockkomponisten wie z. B. Händel, Bach und Vivaldi werden geschickt miteinander verbunden. So wird der Abend zu einer Einheit und nicht zum Einzelnummern-Schaulaufen mit Zwischenapplaus.
Das Ensemble, bestehend aus Lara Guardado-Navarete (Spanien), Julia Domiguez (Spanien), Alex Hallas (England), Lorenzo Rufo (Schweiz), Gabriella Piscitelli (Italien), Anais Fitze (Schweiz), Ilaria Graci (Italien) und Pietro Cono Genova (Italien) setzen Brodmanns Choreographie engagiert um. Im Ensemblestück zu Vivaldis «Sinfonie aus der Oper «Ercole sul Termodonte» RV710» begeistern die Aufführenden durch grosse Präzision. Lorenzo Rufo sticht mit grosser Beweglichkeit, Sprungkraft und Bühnenpräsenz besonders hervor. Ihm gelingt die Umsetzung der modern-klassischen Tanzsprache besonders gut. Zusammen mit Lara Guardado-Navarete tanzt Rufo ein ergreifendes Duett zu Händels «Largo aus dem Concerto Grosso, op. 3». Der tänzerische Dialog der beiden funktioniert perfekt. Im kurzen Duett im Finale bestätigt sich dieser Eindruck. Der elegante Alex Hallas hat vor allem in den «rein klassischen» Stellen seine Stärken. Pietro Cono Genova kann in «Ballo» sein italienisches Temperament voll und ganz ausleben. Bestechend virtuos und synchron gelingt dem Trio Julia Domingues, Gabriella Piscitelli und Lara Guardado-Navarete der «Winter» aus Vivaldis «Vier Jahreszeiten».
Grosser Applaus des Publikums für einen interessanten Ballettabend mit jungen Tänzerinnen und Tänzern, mit denen zu rechnen ist.
Michael Hug