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BASEL/ Kunstmuseum: Kunstmuseum, Basel: REMBRANDTS ORIENT. „Liever Turks dan Paaps“

20.12.2020 | Allgemein, Ausstellungen

Kunstmuseum, Basel: REMBRANDTS ORIENT, 31.10.2020 – 14.02.2021

 Dauer der Ausstellung: https://kunstmuseumbasel.ch/de/ausstellungen/2020/rembrandts-orient

 „Liever Turks dan Paaps“

Die neueste Schau des Kunstmuseums Basel fragt danach, wie die Maler des niederländischen Goldenen Zeitalters auf die durch Handel, Reisen und Publikationen in den Blick geratenen Gebiete und Waren des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens reagierten und welchen Einfluss die fremden Kulturen auf die durch die erste Globalisierung und Wissensdurst, Sammellust und Besitzerstolz geprägte Periode hatten. Etwas weniger elegant und als Frage formuliert: Was ist der historische Hintergrund der künstlerischen Hervorbringungen?

Im Laufe des 16. Jahrhunderts lösten die Niederlande Spanien und Portugal als Weltmacht ab. Damit nahmen Wohlstand, Wissen und Verfügbarkeit fremder Waren in den Niederlanden markant zu. Das Fremde wurde gegenwärtig. Ziel der Expansion war nicht mehr die religiöse Bekehrung der Fremden, sondern wirtschaftlicher Profit und so wurde die Stadt Amsterdam zu Marktplatz des Frühkapitalismus. Rembrandt und Maler des Goldenen Zeitalters malten immer wieder Gegenstände aus fremden Ländern, besonders häufig Tronies (Brustbilder) und biblische Szenen. Die Faszination für den Orient und alles Orientalische hing bei den Tronies, Porträts und Gruppenporträts damit zusammen, dass orientalische Waren rasch als Status-Merkmale galten. Die Darstellung biblischer Szenen, mit Vorliebe solcher aus dem vom reformierten Glauben („sola scriptura“) besonders geschätzten Alten Testament, mit orientalischen Kostümen, hing damit zusammen, dass man annahm, die zeitgenössischen Kleider und Gebräuche des Orients seien die Gleichen wie zu biblischen Zeiten. Ebenfalls unter Fremdherrschaft lebend, lag zudem, die Geschichten des Alten Testaments waren höchst präsent, die Identifikation mit dem Volk Israel nahe. So entstand, befeuert durch die Orient-Begeisterung, im Rahmen der Revolte gegen die spanische Herrschaft die Losung „Liever Turks dan Paaps“ („Lieber türkisch als papistisch“).

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Rembrandt Harmensz van Rijn, Brustbild eines Mannes in orientalischer Kleidung, 1635, Öl auf Eichenholz, 72 x 54,5 cm. Foto: Rijksmuseum Amsterdam, Schenkung Herr und Frau Kessler-Hülsmann, Kapelle-op-den-Bos.

Rembrandts „Brustbild eines Mannes in orientalischer Kleidung“ ist ein mustergültiges Beispiel für die Gattung der „Tronie“, den zwischen Individualität und Typus changierenden Charakterdarstellungen. Rembrandt hat das Gesicht eines bärtigen Unbekannten in reiferen Jahren äusserst lebendig dargestellt und dann, hauptsächlich mit dem riesigen Turban, aber auch dem Schmuck wie der Mantelschnalle und dem den Turban fixierenden Kettengürtel, das Gemälde „orientalisiert“.

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Rembrandt Harmensz van Rijn, David übergibt Goliaths Haupt dem König Saul, 1627, Öl auf Eichenholz, 27.4 x 39.7 cm. Foto: Kunstmuseum Basel, Vermächtnis Max Geldner.

Rembrandts „David übergibt Goliaths Haupt dem König Saul“, von Rubens „Anbetung der Könige“ inspiriert, ist ein selten dargestelltes Motiv in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts und ein Frühwerk Rembrandts. Der Bildträger der kräftig orientalisierten Darstellung ist zweitverwendet: unter der sichtbaren biblischen Darstellung findet sich ein Orientalen-Tronie, möglicherweise ein Selbstporträt Rembrandts.

FAZIT: Die westöstliche Begegnung fand nicht auf Augenhöhe statt: Das Fremde war in jener Zeit ein Konstrukt aus Imagination, Stereotypen und klischeehaften Versatzstücken und dient hauptsächlich als reizvoller Kontrast zum Eigenen. Die Regie der Darstellungen führte die Phantasie. Es wurde nie versucht ernsthaft und tiefer in Sitten und Gebräuche der Fremden vorzudringen. Das Fremde wurde zwar gegenwärtig, aber das nur dekorativ oder repräsentativ und an der Oberfläche. So bietet die Ausstellung Gelegenheit, den bis in die Gegenwart in vielen Köpfen verhafteten Eurozentrismus zu überdenken.

Die negativen Seiten, die den Reichtum der Niederländer ermöglichten, wurden konsequent ausgeblendet, nahezu ignoriert. Auch das ist in der Gegenwart kaum anders: Welchen negativen Folgen zeitigt unser Wohlstand?

In Zusammenarbeit mit dem Museum Barberini Potsdam:

https://www.museum-barberini.de/de/ausstellungen/1915/rembrandts-orient.

Katalog zur Ausstellung: https://shop.kunstmuseumbasel.ch/de/product/48544.

Die Essays des Ausstellungskatalogs sind das Resultat eines Symposions in Potsdam im Juni 2019.

Eine äusserst reichhaltige, mustergültig konzipierte Schau. Ein MUST-GO!

 

25.12.2020, Jan Krobot/Zürich

 

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