Musical: FAME, Theater Basel, Premiere vom 22.11.2013
©Hans Jörg Michel: Ensemble, Andrea Sánchez del Solar
Das Musical beruht auf dem 1980 erschienenen Film „Fame – Der Weg zum Ruhm“ des Regisseurs Alan Parker, der ein Riesenerfolg war und Irene Cara zum Durchbruch verhalf.
Wie im Film werden die Aufnahmeprüfung und die vier Studienjahre an der New Yorker „High School of Performing Arts“ dargestellt. Die Lehrer der 3 Sparten Schauspiel, Musik und Tanz kämpfen um die Aufmerksamkeit ihrer Schüler aber auch gegeneinander, hält doch jeder von ihnen sein jeweiliges Fach für das allerwichtigste. Sie haben allerdings einen gemeinsamen Gegner: Nein, nicht die launischen, überdrehten, teils noch pubertierenden Möchtegernstars, sondern die strenge Englischlehrerin Mrs. Sherwood (glänzend: Rahel Fischer), die den darstellen Künsten auch ein akademisches Gewicht entgegenstellen muss und will. Vor allem die Ballettlehrerin Mrs. Bell (Jennifer-Julia Caron) gerät mit ihr immer wieder aneinander.
Der soziale Hintergrund der Studenten könnte unterschiedlicher nicht sein: So steht zum Beispiel die reiche Ballettstudentin Iris Kelly (Eva Patricia Klosowski), bei der sogar die Ballettslipper von Louis Vuitton sind und die jeden Tag mit der Limousine zur Schule gebracht wird, im krassen Gegensatz zu ihrem Tanzpartner Jack Zakowski (Illjaz Jusufi), der ausser Schweizerdeutschem Rap und – zugegebenermassen atemberaubenden – Hip-Hop-Techniken nicht viel vorzuweisen hat. Nicht einmal lesen kann er.
Der Spot wird auf rührende Einzelschicksale gerichtet: So findet die egomanische Rampensau Joe Vegas (Michael Heller) doch seinen sensiblen Kern, während die füllige Mabel Washington (Stefanie Köhm) versucht, mit Humor ihre Verzweiflung über ihre Figurprobleme wegzuwitzeln. Der ehemalige Kinderstar Nick Piazza (Tom Schimon) und die schüchterne Serena Katz (die beste Stimme des Abends: Jeannine-Michele Wacker) finden schliesslich erst durch Romeo und Julia zusammen; das Mädchen „Keule“ resp. Grace Lamb (komisch: Charlotte Irene Thompson) wird von ihren Bandkollegen Schlomo (Tobias Bieri) und Goodman (Christian Menzi) endlich ernst genommen. Die von einer Broadway-Karriere träumende Carmen (mit echtem südamerikanischen Temperament: Andrea Sànchez del Solar) endet jedoch an der Stripstange und schliesslich im Drogentod.
Leider werden diese Einzelschicksale viel zu kurz angetönt, sodass keine Empathie beim Zuschauer aufkommen kann. Tom Ryser inszeniert die Geschichte als fulminante Tanzeinlage, je mehr Leute auf der Bühne und je wilder die Tänze desto besser, scheint es. Ein bisschen weniger Zirkusvorstellung und Aktionismus, etwas mehr Emphase der tragischen Momente hätte der Inszenierung gut getan.
Problematisch wird es für diejenigen Zuschauer, die den Film gesehen haben. Die lahmen Psychospiele des Schauspiellehrers Mr. Myers (Andreas Sigrist) auf der Bühne sind nichts gegen den radikalen Seelenstrip im Film. Man erinnert sich, wie die Ballerina aus gutem Hause, die im Film Hilary heisst, heulend in der Abtreibungsklinik hockt, auf der Bühne bleibt die Beziehung zwischen Iris und Jack (im Film Leroy) eher lau. Carmen kann niemals das Bild von Irene Cara alias Coco verblassen lassen. Serena kommt nicht an die Zerbrechlichkeit von Doris, Nick nicht an den neurotischen Lakonismus von Montgomery und Mabel nicht an die Selbstzweifel von Lisa im Film heran. Auch die Tanzszenen sind niemals so mitreissend wie die berühmte Tanzszene auf dem Taxi im Film, obwohl zumindest der gleiche Titelsong benutzt wurde. Auch ist die Musik im Film wesentlich mitreissender, an David Cowan, der seine Doppelbelastung als Dirigent und Musiklehrer Mr. Sheinkopf absolut glänzend meistert, liegt das aber jedenfalls nicht.
Die Bühne zum grossen Teil mit einem Vorhang abzudecken ist schon beinahe Rysers Markenzeichen, allein man fragt sich: Warum? Die weiss-roten Stoffbahnen erinnern erst an Naziflaggen, später an die Wände einer Nervenheilanstalt, wie eine Schule wirkt das jedenfalls nicht.
Ausgesprochen störend ist auch, dass der gesprochene – eigentlich sehr interessante – Text grossenteils auf Englisch belassen wurde. Da teilweise Deutsch, Spanisch und sogar Schweizerdeutsch gesprochen wird, hätte man zumindest die nicht gesungenen Teile durchaus übersetzen können. Nichts gegen Englisch, aber man verstand schon akustisch die Hälfte des Textes nicht. Da die Schauspieler meist einen starken Akzent haben, war auch die andere Hälfte undeutlich. Da wären Untertitel eine vielleicht altmodische aber durchaus nützliche Hilfe gewesen.
Viele kleine Regieeinfälle laufen leider am Rande und für die meisten Zuschauer unbemerkt ab, während sie verzweifelt versuchen, das grosse Ganze zu erfassen. In Erinnerung bleiben eigentlich nur die Breakdance-Einlagen von Jack (Illjaz Jusufi), der auch verdientermassen den Grossteil des begeisterten Applauses einsteckte.
Fazit: Wer den Film liebt, wird enttäuscht werden.
Alice Matheson