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„BALLETTGESPRÄCH zum 50. Todestag von JOHN CRANKO“

Stuttgarter Ballett

„BALLETTGESPRÄCH zum 50. Todestag von JOHN CRANKO“ 26.6.2023

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John Cranko starb vor 50 Jahren. Foto: Hannes Killian

Am 26. Juni jährte sich der Todestag von John Cranko zum 50. Mal. Grund genug eine illustre Runde von Künstlern zu einem Gespräch aufs Podium im Opernhaus zu holen, die wesentlich an seinem Erfolg des Stuttgarter Ballettwunders beteiligt waren und sein Werk und seinen Geist bis in die Gegenwart fortgeführt haben.

Bei den von Pressechefin Vivien Arnold moderierten Persönlichkeiten ist auch jetzt noch zu spüren, welch tiefen Keil Crankos früher Tod auf dem Rückflug von der dritten USA Tournee im Juni 1973 in ihre Seelen getrieben hat und welchen Schmerz die Erinnerung an ihn bei aller Dankbarkeit immer noch hervorruft. In einem Fernsehbeitrag des damaligen Süddeutschen Rundfunks von 1965 über eine Ballettsaal-Probe wurde Cranko auch für jene von uns noch einmal lebendig, die ihn nicht mehr persönlich erlebt haben. Er vermittelt die Faszination von einem Menschen, einem bisweilen großen Kind, der seine Wünsche bestimmt, mit Tatendrang, aber auch Ermunterung äußerte ohne eine Choreographie konkret im Kopf gehabt zu haben. Die entstand , wie alle Gesprächsteilnehmer bestätigten, auf der Basis einer detaillierten Kenntnis und Speicherung der ausgewählten Musik spontan im Ballettsaal, inspiriert von der Hingabe und der individuellen Fähigkeiten seiner zusammen gestellten Tänzer, die er mit Neugier, aber auch Strenge der Herausforderung dazu brachte, ihre Stärken und ihre persönliche Signatur auszuspielen.  Dabei ging er wohl bisweilen auch an Grenzen zumutbarer Direktheit, die aber letztlich positive Folgen für die Betroffenen hatten und sich durchaus drastische Anmerkungen im Nachhinein als wahr erwiesen haben.

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Die illustre Gesprächsrunde: v.r. Jürgen Rose, Reid Anderson, Vladimir Klos, Birgit Keil, Marcia Haydée, Egon Madsen, Tamas Detrich, Georgette Tsinguirides + Moderation Vivien Arnold. Copyright: Stuttgarter Ballett

Dies betraf nicht nur seine Muse Marcia Haydée, die er gegen den Willen von Generalintendant Walter Erich Schäfer unter Androhung seiner Kündigung durchsetzte sowie seine weiteren führenden Stars Birgit Keil, Vladimir Klos und Egon Madsen, sondern auch seinen beständigen Bühnen-/Kostümbildner Jürgen Rose, dem er einst seine sorgfältig linierten Skizzen zur Ausstattung der ersten gemeinsamen Arbeit „Romeo und Julia“ (1962) mit der Anmerkung zerriss, dass er seinen eigenen Handstrich sehen möchte.

Georgette Tsinguirides, inzwischen unglaubliche 95 Jahre alt, erinnerte als Choreologin und somit Hauptbewahrerin und Hauptberaterin von Crankos Werk, an seine Fähigkeit Menschen durch ein uneingeschränktes persönliches Interesse unmittelbar für sich eingenommen und u.a. damit auch erreicht zu haben, dass sich das zunächst noch als Opernballett der Württembergischen Staatstheater bezeichnete Ensemble mehr und mehr aus den Verpflichtungen im Musiktheater lösen und eine größere Anzahl an Vorstellungen bekommen konnte.

Reid Anderson, unter Cranko als Tänzer nach Stuttgart gekommen und Ballettdirektor von 1996 bis 2018, berichtete einerseits von dessen grenzenloser Akzeptanz fern jeglicher Idealvorstellungen, aber auch von der Hilflosigkeit und im Alltag nachlässigen, ganz in seiner Kunst aufgehenden Menschen. Tamas Detrich, als einziger in dieser Runde Repräsentant der nachfolgenden Generation, schildert aus seiner Sicht als derzeitiger Direktionsnachfolger Crankos, wie dessen Liebe und Glaube an seine Tänzer durch diese auch an ihn weitergetragen wurde, als er 1975 in die Cranko-Schule gekommen und 1977 in die Compagnie übernommen worden war. Das von Cranko ausgehende familiäre Verhältnis ist auch heute noch zu spüren.

Ohne ihn wären sie alle nicht zu dem geworden, der sie heute sind – darin sind sich alle Beteiligten an diesem Gespräch einig. Als sie sich alle an den Händen haltend nach über zwei Stunden an die Rampe treten, verneigen sie sich auch vor einer Familie, der jenseits der Bühne. In der Bewunderung und Verehrung für einen Menschen, der nicht nur mit viel Verstand, sondern vor allem mit ganzem Herzen wirkte, und für seine großen Werke mit Ewigkeitswert, sind auch viele unter ihnen gemeinschaftlich verbunden. DANKE John Cranko!

 Udo Klebes

 

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