Baden-Baden: RECITAL „ELINA GARANCA“ 19.01.2013
Zwiespältige Gefühle hinterließ das Recital meiner Gesangs-Favoritin Elina Garanca im Festspielhaus. Neigen die meisten Sängerinnen nach der Geburt zu mehr dunkler Fülle in den Mittel- und Tiefenregistern, erwirkte wohl der hormonelle Prozess bei der lettischen Ausnahme-Künstlerin eher das Gegenteil, die Stimme gewann an Höhe. Klar, sicher, strahlend tendierte sie in klangvolle Sopranregionen. Bewegend gestaltete Garanca den Abschied der Johanna aus Die Jungfrau von Orleans (Tschaikowsky), berechnend erklang Dalilas „mon coeur s´ouvre á ta voix“ (Saint-Saens) doch vermisste ich schmerzlich, den früheren warmen, lockenden erotischen Touch der Verführung. Unverständlich, wer auch immer dafür verantwortlich, holte sich die Sängerin eine tenorale Verstärkung ins Boot, doch erwies sich Ho-Yoon Chung als mehr oder weniger unbedarftes Tenörchen, bieder ohne Glanz interpretierte er „Il Lamento di Federico“ (Cilea) sowie mit der Partnerin das Duett „Chi sei tu – ella é morta“ aus Bellinis I Capuleti e i Montecchi.
Der neue Chef von Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern und Ehemann der Vokalistin Karel Mark Chichon leitete den prächtig aufspielenden Klangkörper mit Verve und ließ bereits seine individuelle Handschrift im Orchester erkennen und somit gerieten die „Ouvertüre“ zu Ruslan und Ludmila (Glinka) sowie das „Bacchanal“ aus Samson et Dalila zum wahren Ohrenschmaus. Drei instrumentale „Pasa dobles“ (Narro-Lope-Moreno) leiteten mit Esprit musiziert den zweiten Teil des Abends ein. Nach der Baby-Pause fehlte Frau Garanca wohl die Inspiration einer neuen Programmgestaltung (sie hätte unweigerlich Arien ihres neuen Albums vortragen können) doch man entschloss sich lieber für das Carmen-Medley in der 3. Reprise hier im Festspielhaus. Gewiss erklangen die „Habanera“ und „Séguedille“ (mit dem Tenor) voller Leidenschaft, neu nuanciert ja auch dramatischer, hinterließen sie dennoch beim Hörer einen faden Beigeschmack, lediglich neu erklang das „Finalduett“. Die himmelhoch jauchzende Euphorie des Publikums hielt sich auch in Grenzen und brandete erst bei den Zugaben auf, dem Garanca-Solo „ Al pensar“ (Chapi) sowie den Duetten „Non ti scordar di me“ (Curtis) und „Brindisi“ aus La Traviata.
Gerhard Hoffmann