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BADEN-BADEN: DON GIOVANNI

20.05.2013 | KRITIKEN, Oper

Pfingstfestspiele in Baden-Baden: „Don Giovanni“ von Wolfgang Amadeus Mozart (Vorstellung: 20. 5. 2013)


Starbesetzung in Baden-Baden: Anna Netrebko als Donna Anna und Erwin Schrott als Don Giovanni (Foto: Jochen Klenk)

Einen großen Erfolg konnten die Pfingstfestspiele 2013 in Baden-Baden mit ihrer Neuinszenierung von Mozarts „Don Giovanni“ verzeichnen. Und das aus mehreren Gründen: zum einen bot das Balthasar-Neumann-Ensemble unter der Leitung seines Gründers Thomas Hengelbrock eine besondere musikalische Sichtweise auf das Werk, bei der die zartesten Töne der Partitur zum Klingen gebracht wurden. Zum anderen wurde ein Sängerensemble aufgeboten, das auch die größten Erwartungen zu erfüllen verstand. An der Spitze Anna Netrebko und Erwin Schrott, die sich gerade dieser Oper besonders verbunden fühlen, haben sie einander doch in einer „Don Giovanni“-Vorstellung in den Vereinigten Staaten kennengelernt. Überdies feierte Anna Netrebko mit der Rolle der Donna Anna bei den Salzburger Festspielen 2002 ihren internationalen Durchbruch. Nun konnte man das Paar zum ersten Mal in einer gemeinsamen Opernproduktion erleben.

Als Regisseur hatte die Festspielleitung Philipp Himmelmann verpflichtet, der in Baden-Baden den gesamten da-Ponte-Zyklus inszeniert. Er verlegte das Stück in die heutige Zeit, lässt Leporello von allen Eroberungen Don Giovannis Fotos schießen, die er in Ordnern ablegt und zeigt auf der extrem breiten Bühne des Festspielhauses ein spätherbstliches Ambiente mit einem kahlen Baum, einigen Stühlen und diversen Grabskulpturen (Bühnenbild: Johannes Leiacker). Ein interessanter Ansatz, den der Regisseur in seinem Beitrag im Programmheft treffend erläutert: „Don Giovanni hinterlässt bei allen Figuren eine Lücke, die durch nichts wieder aufzufüllen ist. Der Winter bricht herein.“

Dass auch ein – allerdings ungeladener oder nichtfunktionierender – Revolver bei Masettos Racheplänen ins Spiel kommt, war zu erwarten. Die riesige Bühne verkleinerte der Regisseur mit einem Trick: Immer wieder öffneten sich beim Bühnenvorhang an verschiedenen Stellen Fenster, Türen und Durchgänge, an denen die Sängerinnen und Sänger agierten, womit er auch die Personenführung kreativ gestalten konnte. Das Abendessen mit dem Steinernen Gast entfiel im Grunde, denn Don Giovanni kostete zwar die Speisen, warf sie dann aber alle in ein offenes Grab und goss den Wein hinterher, eine an sich ungustiöse Szene, die aber dem ekelhaften Charakter Don Giovannis entsprach.

Warum allerdings die Lichtgestaltung durch David Cunningham so düster und finster ausfallen musste, blieb ein Rätsel. Auch der Spätherbst hat sonnige Tage. Es war schade, dass das Mienenspiel der Akteure vom Publikum ohne Opernglas auch in den vorderen Reihen unmöglich zu verfolgen war. Die Kostüme – bei den Herren dominierten die herbstlichen Schwarz- und Grautöne, bei den Damen gab es ein paar Farbtupfer – entwarf Florence von Gerkan.

In der Titelrolle bewies Erwin Schrott einmal mehr, dass er nicht nur ein brillanter Sänger, dessen kräftiger Bassbariton auf samtweiche Art verführte und sich gleich danach als „Bösewicht“ in eine dunkel gefärbte Bassstimme wandelte, sondern auch ein prachtvoller Schauspieler ist. Egal, ob Verführer oder Herr über seinen „Freund“ Leporello, ob gewaltbereiter Bösewicht oder todesmutiger Rebell, dem alle Konventionen gleichgültig sind, stets traf er den richtigen Ton. Der italienische Bariton Luca Pisaroni spielte als Leporello sein komödiantisches Talent aus und erzielte beim Publikum immer wieder mit seinen humorvollen Einlagen nicht nur bei seiner „Registerarie“ Lacherfolge.

Überzeugend als Donna Anna wieder einmal Anna Netrebko, deren herrlicher Sopran inzwischen reifer und voller wurde. Ihr betont inniger Gesang riss das begeisterte Publikum des Öfteren zu Szenenbeifall hin. Dass sie jede Rolle auch sehr nuanciert darzustellen vermag, ist eine ihrer großen Stärken. Als Donna Elvira wartete die schwedische Mezzosopranistin Malena Ernman sowohl mit hoher Gesangskultur wie auch mit ausdrucksstarkem Spiel in ihrem hoffnungslosen Kampf um Don Giovanni auf.

Eindrucksvoll der amerikanische Tenor Charles Castronovo, der die Rolle des Don Ottavio mit lyrischer Stimme und größtmöglicher Innigkeit versah. Dem Komtur lieh für seinen kurzen Part der Sarde Mario Luperi seinen tiefen Bass.

Eine bezaubernde, von Abenteuerlust getrieben Zerlina stellte die junge Mezzosopranistin Katija Dragojevic auf die Bühne, während der aus Neuseeland stammende Bassbariton Jonathan Lemalu einen allzu grobschlächtigen Masetto gab. Der für seine künstlerische Vielseitigkeit bekannte Balthasar-Neumann-Chor – jeder einzelne Sänger soll in der Lage sein, als Solist hervorzutreten – trug zur hohen musikalischen Qualität der Produktion ebenso bei. Einstudiert wurde er von Frank Markowitsch.

Das begeisterte Publikum im ausverkauften Festspielhaus bejubelte alle Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Applaus und zahllosen Bravorufen und belohnte das Sängerensemble am Schluss mit Standing Ovations. Es war ein Abend mit hohem musikalischem Kunstgenuss, an dem fast alles passte.

Udo Pacolt, Wien

 

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