Bad Hall, Stadttheater : „IM WEISSEN RÖSSL „ am 5.7. 2025 – Premiere
Foto: Operettenfestspiele Bad Hall.
Nicht nur im Salzkammergut kann man gut lustig sein, sondern auch im Alpenvorland, im Traunviertel, in der sympathischen 6.000 Einwohner- und Kurstadt Bad Hall , die sich seit 1871 auch ein Stadttheater leistet, das zuletzt 2017/18 grundlegend renoviert und auf den neuesten Stand der Technik gebracht wurde. Ein in unseren Tagen, wo sehr oft an Kultur gespart wird, nicht hoch genug herauszustreichendes und lobenswertes Unterfangen, ein gewaltiges Vorhaben für eine kleine Gemeinde, das da unter dem jetzigen Bürgermeister Bernhard Ruf gestemmt wurde: Gratulation! Und da das Haus auch in den verschiedensten Genres das ganze Jahr bestens geführt und genützt wird, hat sich dieses Wagnis sehr wohl gelohnt, wahrlich ein Vorzeigeprojekt!
Für die schon traditionellen „Operettenfestspiele“ zeichnet seit einigen Jahren nun Prof. Thomas Kerbl verantwortlich: selbst Musiker, versierter Dirigent etc., tritt er auch als Regisseur in Aktion und hat als Intendant ein wahrhaft „goldenes Händchen“ bei der Auswahl des gesamten Ensembles gehabt! Er hat eine Bad Haller Version der bekannten Operette geschaffen, deren Aufführungsgeschichte nicht nur von grandiosen Erfolgen, sondern aufgrund ihrer Entstehung und den diversen Umarbeitungen auch von Streitereien und gerichtlichen Prozessen begleitet war. 1930 wurde das Singspiel im Berliner Schauspielhaus durch Erik Charell, der auch Regie führte, herausgebracht: und schlug richtig ein! Es gab Versionen in französich und englisch, die u.a. auch am Broadway Erfolg hatten (über 220 Aufführungen) , wo zum musikalischen Mix diverser Komponisten noch weitere Lieder hinzugefügt wurden. Erik Charell hatte dieses – vorhersehbare – Chaos verursacht, da er dem in Moravske Budejovice (Mährisch Budweis, in der Nähe von Znaim) geborenen Ralph Benatzky zwar als musikalischen „Hauptakteur“ verpflichtete, jedoch auch Musik von Bruno Granichstaedten, Robert Gilbert und Robert Stolz hinein reklamierte. Letzterer verkaufte sein Copyright – etwa von „Die ganze Welt ist himmelblau“ – an Charell, und klagte ihn später als der Riesenerfolg einsetzte vergeblich, um doch auch Tantiemen zu erhalten. Nicht im Autorenverzeichnis enthalten, kam man bei Nachforschungen darauf, daß auch Eduard Künneke mit Instrumentationen am Rössl beteiligt war – ganz abzusehen von Kaiserhymne (hier in Bad Hall kam stattdessen „O du mein Österreich“ – übrigens komponiert von Franz von Suppé beim Kaiser-Empfang zum Erklingen), und Volksmelodien, die es sowieso schon seit der Uraufführung zu hören gab. Einziger Opernsänger der Uraufführung war der Interpret des Dr. Siedler, ansonsten kamen bekannte Schauspieler zum Einsatz. Natürlich gabs auch zahlreiche Verfilmungen , 1952 war Willi Forst der Regisseur, Johanna Matz als Wirtin, Walter Müller als Leopold und Johannes Heesters als Dr. Siedler, in der Version von 1960 waren Waltraud Haas und Peter Alexander das Wirtin – Kellner Paar.
Aber zurück nach Bad Hall! Intendant Thomas Kerbl also hat eine dezent „aktualisierte“ Version erstellt mit etlichen zeitgenössischen Anspielungen: die Touristen-Invasion in Hallstatt wird genauso thematisiert, wie beim Couplet von Gieseke sogar Donald Trump sein Fett abbekommt. Aber – und das finde ich sehr wichtig und wirklich erwähnenswert: in einer dezenten, geschmackvollen Art und Weise, die auch Applaus bei denen hervorruft, die vielleicht eine andere Meinung zu dem angesprochenen Thema haben! Auch hier bewies der Regisseur und Textadaptor seine Klasse! Im Original des Stückes besucht der Kaiser St. Wolfgang als Ehrengast des jährlichen Schützenfestes, hier tut er es, um die „Neue Seebühne“ zu eröffnen! Es wird damit der Abbau der bei Ried am Wolfgangsee errichteten teuren Seebühne durch behördlichen Bescheid aufs Korn genommen – ein offensichtlicher „Bock“ der dort geschosssen wurde, der „Landschaftsschutzbescheid“ war nur für kurze Zeit aufgehoben worden, nun soll das „Bauwerk“ abgebaut, zwischengelagert und im besten Falle an anderer, noch zu findender Stelle wieder aufgebaut werden. Diese Geschichte war bei uns im „Osten“ nicht so populär geworden wie in OÖ und Salzburg – musste mich darüber auch erst informieren. Aber selbst das war im Programmheft vermerkt, daß es hier zum „Original“ eine Abweichung gibt! Wo findet man dies bei so vielen Inszenierungen, die Werke entstellen und verlegen? Nirgends! Auch da ein „Chapeau“ vor dem Ersteller der Inhaltsangabe.
Franz Suhrada, Katharina Linhard. Foto: Operettenfestspiele Bad Hall.
Und damit endlich zu den Ausführenden, die im exzellenten, gediegenen Rahmen von Gottfried Angerer( Bühnenbild) und in immer kleidsamen und vorteilhaften Kostümen (heute bereits eine echte Rarität) von Susannne Kerbl – bravissima! – agieren durften, bestens unterstützt vom erfahrenen Walter Rescheneder, der die flotten Melodien und Rhythmen aus dem Graben dirigierte und der Bühne ein aufmerksamer Begleiter war. Orchester und „Chor“ (da war jede und jeder eine eigene Type mit Solo-Charakter !) waren mit größter Spielfreude dabei und gaben Alles. Wer die „Chefin“ im Haus ist, daran ließ Katharina Linhard keinen Zweifel: ihre „Josepha Vogelhuber“ stand rollengerecht im Zentrum des Geschehens! Die Oberösterreicherin bewies erneut ihre bemerkenswerten Qualitäten eine Rolle authentisch zum Leben erwecken zu können. Als Darstellerin souverän kann sie dank ihrer guten Technik mit ihrem angenehm-strömenden Sopran sowohl zarte Phrasen ziselieren, ihre (leider zu wenigen!) Melodien auskosten als auch die Ensembles mühelos überstrahlen. Daß Johannes Nepomuk vom Musical, und nicht von der Oper her kommt, stört überhaupt nicht. Geschickt umschifft er die wenigen heiklen gesanglichen Klippen, und besticht durch seine sympathische Natürlichkeit und sein Spiel, das tatsächlich an Peter Alexander erinnert. Ein exzellentes Paar steht da auf der Bühne, die trotz unterschiedlicher „Herkunft“ sehr gut zusammen passen! Der slowenische Tenor Domen Fajfar kostete seine Position richtig aus, hatte die schönsten Schlager darzubieten, und war im Spiel ein dezenter Dr. Siedler, der im Handumdrehen Ottilie erlag! Kein Wunder war mit dem „Mühlviertler Wirbelwind“ Michaela Anna Mayr eine quirlige, verführerische „Berliner Göre“ aufgeboten, die auch ohne zu „Berlinern“ das Herz ( nicht nur Siedlers) im Sturm eroberte und mit ihrem fruchtig – leichten Sopran zu den herausragenden Spitzen eines insgesamt auf sehr hohem Niveau agierenden Ensembles war. Mit seiner trockenen Darbietung und köstlichen Interpretation von Ottilies Vater, des Fabrikanten Giesecke, sorgte er bereits für viele Lacher, aber mit seinen Couplets schoß er mit seinem extrem textverständlichem Charaktertenor – und strahlenden tenoralen Höhen – den Vogel ab: Michael Nowak, der gebürtige Innsbrucker, der jetzt in Oberösterreich unterrichtet und Mitglied der Oper Hannover, aber auch in Karlsruhe war. Sigismund Sülzheimer wurde vom baumlangen Felix Lodel sehr von sich überzeugt und gar nicht schüchtern interpretiert. Dem Bassisten gelang es ausgezeichnet, seine Stimme dem Werk anzupassen und nicht zu opernhaft klingen zu lassen. Sein Klärchen war die blutjunge Wienerin Marlene Janschütz, die mit Charme und gewinnendem Spiel und einem angenehmen, aufblühenden Sopran aufhorchen ließ. Aber auch Gerald Gliedenbacher als ihr Vater, Professor Hinzelmann gefiel, und sehr authentisch und großartig als Typen zeichnete Josef Krenmair den Oberförster, als auch den Bürgermeister von St. Wolfgang! Martin Schön als Hausdiener gleichen Vornamens erfüllte seine Aufgabe exzellent und schließlich muß noch der junge Raphael Freudenschuss als köstlicher Piccolo hervorgehoben werden. Ja, und dann isdt da natürlich noch seine kaiserliche Hoheit! Der unvergleichliche Franz Suhrada – ungerechterweise am Meisten bekannt als „Polizist“ im „Kottan“ – zeigt wiederum seine Klasse: als Mann der feinen Nuancen, des Humors, des „echten“ Komikers, einer Gattung, die keine Nachfolger mehr finden wird! Er singt sogar, mit Hackbrettbegleitung – ein berührender Moment! Große Klasse!
Schlussapplaus. Foto: Tanzler
Das Publikum ging von Anfang an mit und es herrschte eine positive, begeisterte Stimmung den ganzen Abend hindurch. Viel Applaus und Bravo-Rufe waren der berechtigte Dank an ein gesamtes Team, das spürbar mit großer Freude bei der Sache war.
Es gibt noch über 10 Aufführungen bis in den August hinein – wer sich gut und niveauvoll unterhalten möchte und Operette – nicht „altmodisch“, aber werkgerecht und mitreissend wie früher mag, dem sei ein Besuch in Bad Hall dringend empfohlen!
Michael Tanzler