ARCHAISCHE SCHÖNHEIT
Magnus Kjellson aus Göteberg am 31. August 2014 in der spätgotischen Sadtkirche/BAD CANNSTATT
Mit seinem Ensemble Göteborg Baroque feierte der begabte Organist Magnus Kjellson große Erfolge. Von seiner enormen Fingerfertigkeit konnte man sich in der Stadtkirche Bad Cannstatt beim siebten Konzert der Reihe „Sommer! 8 X Orgel“ ausgiebig überzeugen. Archaische Schlichtheit paarte sich bei der konzentriert gespielten Phantasie und Fuge g-Moll BWV 542 von Johann Sebastian Bach mit glühender Ausdruckskraft. Ein polyphon gebundenes Melos setzte sich rasch durch. Großartige, drängende Steigerungen leiteten zu pathetisch-eindringlichen Passagen über, die sich harmonisch immer eindrucksvoller verdichteten. Die Fuge gewann dann aus dem Kontrast ihrer beiden Themen eine reizvolle dynamische Spannung. Nicht weniger überzeugend war die kontrapunktisch reiche Wiedergabe des Psalms 24 von Anthoni van Noordt, wobei Magnus Kjellson die Psalm-Melodie im Bass ausdrucksvoll zitierte. Mit erhabener Cantus-firmus-Intensität kam die Choralfantasie „Nun komm, der Heiden Heiland“ von Nikolaus Bruhns daher, wobei auch hier die harmonische Vielstimmigkeit sehr gut betont wurde. Das persönliche Wesen des Komponisten konnte man genauso plastisch wahrnehmen wie bei Johann Sebastian Bach, weil Magnus Kjellson die thematischen Verbindungslinien mit Charakterisierungsreichtum erfüllte. Die Freiheit der chromatischen Entwicklung triumphierte auch bei dieser Wiedergabe. Einen ganz erstaunlichen, geradezu aufregenden Kontrastreichtum stellte man bei Kjellsons Interpretation von „Trivium I-II-III“ aus dem Jahr 1976 von Arvo Pärt fest. Anklänge an den Neoklassizismus waren genauso plastisch herauszuhören wie die Assoziationen zur Zwölftontechnik und zum Serialismus. Außerdem bemerkte man Einflüsse von Schostakowitsch, Prokofjew und Bartok. Selbst die Nähe zur Collagentechnik betonte Kjellson sehr einfühlsam. Formale Regelmäßigkeit mit einer magischen Ausstrahlung der Ruhe beeindruckten die Zuhörer bei dieser sphärenhaften Wiedergabe ungemein. Höhepunkt dieses bemerkenswert kraftvollen und mitreissenden Orgelkonzerts waren die bewegend interpretierten Variationen über ein Motiv aus der Kantate „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ und dem „Crucifixus“ aus der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach, die Franz Liszt in den Jahren 1862/63 komponierte. Das chromatisch eindringlich absteigende Motiv traf Magnus Kjellson dabei am besten, hier erreichte seine Interpretation sinfonische Dimensionen. Gleichzeitig arbeitete er die große geistige Kraft des „Abbe“ Franz Liszt spannungsvoll heraus. Kühne thematische Harmonisierungen schwangen sich mit immer größerer Ausdruckskraft gewaltig empor. Auch der Wechsel der virtuosen Spielformen gelang Kjellson ausgezeichnet. Machtvolle Oktavengänge, helle Figurationen in der Diskantlage und rhythmische Finessen vereinigten sich zu einem irisierenden Klangkosmos.
Alexander Walther