Augsburg: Zwei Opern-Einakter von Erich Wolfgang Korngold: „Der Ring des Polykrates“ und „Violanta“ (Vorstellung: 5. 6. 2013)
Sally du Randt als Laura und Niclas Oettermann als ihr Gatte Wilhelm Arndt im „Ring des Polykrates“ (Foto: Nik Schölzel)
Zum ersten Mal seit ihrer Uraufführung im Jahr 1916 in München wurden die beiden Einakter „Der Ring des Polykrates“ und „Violanta“ von Erich Wolfgang Korngold im Theater Augsburg gemeinsam gezeigt. Zuletzt wurde Der Ring des Polykrates 2012 in Lübeck mit Křeneks Das geheime Königreich kombiniert und Violanta 2013 in Bremerhaven allein aufgeführt.
Markus Trabusch zeigte in seiner Inszenierung die beiden Werke des Wunderkindes Erich Wolfgang Korngold (1897 – 1957) unter dem Motto „Glück“. Die erste Oper, deren Libretto sein Vater Julius Leopold Korngold – er war ein bedeutender Musikkritiker – gemeinsam mit Leo Feld nach dem Lustspiel von Heinrich Teweles verfasste, geht auf Schillers gleichnamige Ballade zurück und handelt vom privaten Glück einer Familie, die durch einen Gast auf die Probe gestellt wird. Im zweiten Stück beruht das Regiekonzept auf die Erfahrung, die Violanta einen Moment lang erleben darf und in dem sie erkennt: „Nie hab’ ich gelebt im Augenblick, nie kannt’ ich heißes, reuloses Glück.“
Die Bühnengestaltung durch Volker Hintermeier spiegelt das Motto gleichfalls wider. Mitten auf der Bühne steht im ersten Werk ein nur in goldfarbenen Umrissen erkennbares kleines Haus, das als Spielfläche dient, und im zweiten Stück ein größeres Gebäude, ebenfalls in goldfarbenen Umrissen, das wie ein goldener Käfig wirkt, in dem sich Violanta und die anderen Personen bewegen. Eine symbolische Anspielung auf die Moralvorstellungen der damaligen Gesellschaft. Nur einmal überschreitet Violanta die Grenzen ihres „goldenen Käfigs“, was sie schließlich mit ihrem Leben bezahlt.
Die Kostüme, von Su Bühler entworfen, sind der Zeit des Ersten Weltkriegs, in die der Regisseur die erste Oper verlegt hat, nachempfunden. So tritt Peter Vogel, der Gast des Hauses, als Schwerverwundeter in Uniform auf und im Hintergrund laufen Videobilder mit Kriegsszenen mit.
Im gut und reichhaltig illustrierten Programmheft ist ein lesenswerter Artikel von Melanie Unseld mit dem Titel „Todesnahe Weiblichkeitsbilder zwischen Dekadenz und Aufbruch“ abgedruckt: „Die Verbindung von vibrierend-sinnlicher Weiblichkeit und der Kälte des Verfalls und des Todes ist für viele Künstler der Jahrhundertwende attraktiv. … Fast alle Erfolgs- und Skandalopern der ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts nehmen sich des Motivpaars von Tod und Weiblichkeit an: Strauss’ Salome und Elektra (1905 und 1909), Franz Schrekers Der ferne Klang (1912) und Die Gezeichneten (1918), Max von Schillings’
Mona Lisa (1915), Erich Wolfgang Korngolds Violanta (1916) und Die tote Stadt (1920), Alexander von Zemlinskys Einakter Eine florentinische Tragödie (1917) und Der Zwerg (1922) – um nur eine kleine Auswahl aus dem deutschsprachigen Raum zu nennen.“ Es ist schon bemerkenswert, dass es sich außer bei Strauss und von Schillings um österreichische Komponisten handelt, deren Werke in ihrer Heimat nach dem Zweiten Weltkrieg kaum oder nur sehr selten gespielt wurden.
Roland Techet, der das Philharmonische Orchester Augsburg mit großen Gesten leitete, forcierte manchmal zu stark und erreichte des Öfteren eine Lautstärke, die dem Sängerensemble einiges abverlangte. Dennoch gelang es dem Orchester, die atmosphärisch dichte Partitur mit ihrer zum Teil ins Ohr gehenden Musik (Ohrwürmern ähnlich), die auch mit rauschhaften Klängen aufwartete, facettenreich wiederzugeben.
Ein Glücksfall für das Theater Augsburg ist die südafrikanische Sopranistin Sally du Randt, die seit Jahren in vielen Opernrollen brillierte und in beiden Einaktern die weibliche Hauptrolle sang. Als Laura, der Gattin des Hofkapellmeisters Arndt, spielte sie auch ihr komödiantisches Talent aus, um ihren wegen des vermeintlichen früheren Verhältnisses mit seinem Freund Vogel wütenden Mann zu besänftigen. Köstlich ihr Mienenspiel, superb wie immer ihr Gesang. Als Violanta wiederum setzte sie sowohl stimmlich wie darstellerisch dramatische Akzente, die in der leidenschaftlichen Szene mit dem Prinzen Alfonso, den sie als Schuldigen am Selbstmord ihrer Schwester von ihrem Ehemann töten lassen will, aber sich in ihn verliebt und sich deshalb selbst opfert, ihren Höhepunkt erreichte.
Ihr ebenbürtig zeigte sich Sophia Christine Brommer mit ihrem hellen Sopran und ihrem komödiantischem Spiel – sowohl als Lauras Bedienstete Lieschen, die zu jedem Spaß ihres Freundes Florian Döblinger (vom australischen Tenor Christopher Busietta etwas blass gespielt) bereit war, wie auch in „Violanta“ als karnevalslaunige Bice.
Mit großem Einsatz und ausdrucksstarker Mimik gab der Tenor Niclas Oettermann den Hofkapellmeister Arndt und in „Violanta“ den Maler Giovanni Bracca, wenngleich die Wortdeutlichkeit des Öfteren auf der Strecke blieb. Man hatte das Gefühl, dass er am meisten unter der Lautstärke des Orchesters litt. Auch der italienische Bariton Giulio Alvise Caselli war in beiden Einaktern im Einsatz. Den vom Glück verlassenen Kriegsinvaliden Peter Vogel spielte er ebenso eindrucksvoll wie die Rolle des Matteo in „Violanta“.
Nur im zweiten Einakter im Einsatz waren der amerikanische Bariton Stephen Owen als Hauptmann Troval, der die Zerrissenheit dieser Rolle gut auszudrücken verstand und sich zur Ermordung von Alfonso bereiterklärt, um die verlorene Liebe seiner Gattin Violanta wiederzugewinnen, und der koreanische Tenor Ji-Woon Kim als Prinz Alfonso, der mit schöner Stimme und leidenschaftlichem Spiel zu gefallen wusste. Dass er am Schluss Selbstmord verübte, war wohl die Idee des Regisseurs. Die Rolle der Amme Violantas wurde von der Altistin Kerstin Descher gespielt, die Einstudierung des Chors lag in den bewährten Händen von Katsiaryna Ihnatsyeva-Cadek.
Starker Applaus des Publikums im gut besuchten, aber nicht ausverkauften Theater Augsburg vor allem für Sally du Randt, den Star des Abends, aber auch für das Orchester. Ein Kompliment der Intendanz, die beiden Einakter von Korngold gemeinsam an einem Abend – wie 1916 bei der Uraufführung in München – gespielt zu haben. Man darf gespannt sein, ob auch ein Opernhaus in Österreich in den nächsten Jahren diese Idee hat. Ein Wagnis ist es gewiss nicht, die musikalisch exzellenten Einakter von Korngold auf den Spielplan zu setzen.
Udo Pacolt, Wien