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Athens Epidaurus Festival / Peiraios 260 Idio Chichava: Vagabundus 

Athens Epidaurus Festival / Peiraios 260
Idio Chichava: Vagabundus 

Besuchte Vorstellung am 8. Juni 

Singende, bebende Körper

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Foto: Converge+ Mozambique Dance Company 

Der Choreograf Idio Chichava hat seine Lehrjahre in Belgien absolviert. Zurückgekehrt in seine afrikanische Heimat hat er die Converge+ Mozambique Dance Company gegründet. In seiner Arbeit, das legt die nun am Athens Epidaurus Festival gezeigte Choreografie „Vagabundus“ nahe, verbinden sich konzeptuelles Denken und Traditionsbewusstsein in bemerkenswerter Weise. Die Fragen, welche der Tanzabend aufwirft, sind denn auch eminent politische. Die Darbietung könnte dabei schwerlich energetischer und mitreissender daherkommen. 

Chichava lässt seine Choreografie bereits vor dem Eintreffen der Zuschauer beginnen. Vor der Halle wartend hört man bereits ein Getöse, das aus dem Inneren dringt. Einmal eingetreten stösst man auf der Bühne und im Auditorium auf Mitglieder des Ensembles. Sie sind in Tanz und Gesang begriffen. Sie bewegen sich zwischen den Zuschauerreihen, sitzen neben uns oder agieren auf der Bühne. Wenn alle Zuschauer Platz genommen haben, zieht sich das Geschehen allmählich auf die Bühne zurück. Was man als Betrachter sofort wahrnimmt, ist die enge Verbindung von Tanz, Gesang und Rhythmus. Es sind die singenden, bebenden Körper, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ihr Stampfen, Wogen und Umherwirbeln entfachen einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Fast scheint es, dass der Gesang den Tanz noch verstärkt. Musik und Gesang bedienen sich traditioneller und zeitgenössischer Formensprachen aus Mozambique. Dazu kommen stellenweise Elemente aus dem Gospel und, was eher überrascht, aus der Barockmusik – letzteres vor allem erkennbar am lateinischen Text. Da ist dann etwa von „Miseriocordia“, von Barmherzigkeit die Rede. Wofür oder für wen wird hier um Barmherzigkeit gebeten?

Auf der Bühne kommen nur wenige Requisiten zum Einsatz. Man sieht einen Einkaufswagen und Taschen, ein Tänzer trägt einen Autoreifen um den Hals, ein anderer ein Bündel auf dem Haupt. Es sind Gegenstände, die auf Mobilität, Migration verweisen. Darauf spielt auch der Titel des Abends an: „Vagabundus“ meint Wanderer. Das Publikum blickt auf einen Migrationsstrom, sieht gleichsam einen 70-minütigen Ausschnitt aus dem sich ständig von Ort zu Ort bewegenden Leben vieler afrikanischer Menschen. Es ist eine Suche nach Lebensmöglichkeiten, nach Zukunft, dabei Tradition bewahrend und gegen widrige Umstände ankämpfend. Tanz und Gesang meinen in diesem Kontext Selbstbehauptung, aber auch Lebensbejahung. Der Ruf nach Barmherzigkeit kommt weniger verzweifelt denn berechtigt daher. Am Ende der Choreografie wird die Grenze zwischen Bühne und Auditorium wieder überschritten, klatschen die Zuschauer rhythmisch zur Musik und einige erheben sich gar und bewegen sich mit wogenden Schritten. Die an diesem Abend verhandelte Migration ist eben auch unsere. Eine stürmisch bewegte Choreografie, ein bewegender „Vagabundus“.

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Foto: Converge+ Mozambique Dance Company 

Das dreizehnköpfige Ensemble macht seine Sache tänzerisch und gesanglich ganz grossartig. Dabei schauen die Tänzerinnen und Tänzer vielfältig wie das Leben aus, grösser und kleiner, schlank und beleibter. Açucena Chemane, Nilégio Cossa, Fernando Machaieie, Cristina Matola, Stela Matsombe, Calton Muholove, Judith Novela, Osvaldo Passirivo, Mauro Sigauque, Patrick Manuel Sitoe, Vasco Sitoe, Arminda Teimizira und Martins Tuvanji verdienen grosses Lob. 

Die Choreografie „Vagabundus“ wird vom Publikum mit Begeisterung begleitet. Am Schluss gibt des lautstarken Beifall und Bravorufe für die Truppe aus Mozambique. 

Ingo Starz (Athen)

 

 

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