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ATHENS & EPIDAUROS FESTIVAL/ Griechische Nationaloper: CARMEN

25.07.2016 | Allgemein, Oper

Athens & Epidauros Festival: Griechische Nationaloper: Carmen Premiere am 24. Juli 2016

Carmen an der EU-Aussengrenze

Πρεμιέρα Κάρμεν πανοραμική Ηρωδείου (c) Stefanos--3
Copyright: Epidauros-Festival

 Nach der Neuinszenierung von Verdis „Aida“ im Juni brachte die Griechische Nationaloper nun ihre zweite jährliche Produktion im Odeion des Herodes Attikus heraus: Georges Bizets „Carmen“. Das Meisterwerk der französischen Oper wurde seit 1942 oftmals auf den Spielplan der Athener Oper gesetzt, auch im Odeion des Herodes Attikus, wo es aktuell gezeigt wird, fanden bereits Aufführungen statt. Die Premiere war ausverkauft und das Publikum in freudiger Erwartung. Als Regisseur hatte man den international erfahrenen Briten Stephen Langridge gewonnen. Wie er in einem kurzen Text des Programmbuchs erklärt, interessiert ihn an Carmen die Zigeunerin, der die Migrationserfahrung eingeschrieben ist.

 Mit dem Bühnen- und Kostümbildner George Souglides und dem Videokünstler Thomas Bergmann versetzt er die Geschichte in unsere Zeit, in eine Stadt am Meer. Die permanent auf der Bühne befindlichen, hohen Absperrgitter finden spätestens im dritten Akt ihre Erklärung: Dann nämlich wird Menschenschmuggel auf der Szene gezeigt und man fühlt sich angesichts von Schwimmwesten an die Flüchtlingskrise und die EU-Aussengrenze erinnert. Allerdings wird dieser Sicherheitszaun während der Aufführung durchaus ganz flexibel eingesetzt und dient etwa im Finale in zusammengeschobener Form als ‚Arena‘ für Carmen und Don José. Solche Flexibilität könnte man auch als Beliebigkeit bezeichnen. Dazu passt, dass Carmen’s Rollengestaltung gar traditionell daherkommt und eher das Zigeunerklischee bedient als es hinterfragt. Die Personenführung ist bei alledem schwach ausgebildet, die von Dan O’Neill und Fotis Nikolaou verantwortete Bewegungsführung überzeugt kaum: Im zweiten Akt etwa wirken die Fans von Escamillo wie betrunkene Touristen. Szenisch macht diese Neuproduktion daher einen ziemlich unentschiedenen und letztlich unbefriedigenden Eindruck: viel Konvention im Spiel, ein zeitgenössisches Setting mit wenig Plausibilität, eine eher schlechte Nutzung der Bühnensituation im Odeion. Diese Inszenierung schlägt wahrlich keine Funken.

 

Mit Lukas Karytinos steht ein erfahrener Dirigent am Pult, der von 1999 bis 2005 künstlerischer Direktor der Nationaloper war. Er hat auch bereits Bizets Oper in Athen dirigiert. Sein Dirigat am Premierenabend überzeugt jedoch leider nicht. Es fehlt an rhythmischer Rafinesse und Präzision – im zweiten Akt geraten Graben und Bühne einmal bedenklich auseinander. Man vermisst ferner Spannung und gestalterische Ideen. So könnte man sagen, dass sich Regisseur und Dirigent in ihrem Interpretationsdefizit treffen. Das Orchester spielt bei alledem sauber und präzise. Der Chor und der Kinderchor der Oper wurden von Agathangelos Georgakatos und Mata Katsouli sorgfältig einstudiert.

Πρεμιέρα Κάρμεν_Ρινάτ Σαχάμ, Διονύσης Σούρμπης (c) Stefanos-05392
Dionyssis Sourbis, Rinat Shaham. Copyright: Epidauros-Festival

 Die Sängerbesetzung bringt ausländische Gäste und griechische Sänger zusammen. Rinat Shaham ist eine erfahrene und gutaussehende Carmen, die allein schon mit ihrer starken Bühnenpräsenz auffällt. Ihr Mezzosopran ist in allen Lagen ausgeglichen und weist ein reizvolles Timbre auf. Man darf von einer Idealbesetzung sprechen. Leonardo Capalbo als Don José hat eine klangschöne Stimme, die allerdings noch an Dramatik zugewinnen sollte. Momentan klingt sein Gesang bisweilen etwas forciert, die Gesamtleistung überzeugt jedoch. Der Escamillo von Dionyssis Sourbis macht nicht nur als Bühnenerscheinung Eindruck, der junge Sänger gefällt auch mit seiner geschmeidigen und sonoren Stimme. Mit ihrem dunkel getönten, sicher geführten Sopran setzt sich Saioa Hernández als Micaëla eindrücklich in Szene. Vokal markant ist ferner das Auftreten von Petros Magoulas als Zuniga. Die kleineren Rollen sind allesamt gut besetzt: Nikos Kotenidis als Moralès, Maria Mitsopoulou als Frasquita, Eleni Davou als Mercédès, Kostis Rasidakis als Le Dancaïre und Alexandros Tsilogiannis als Le Remendado. Das sängerische Niveau der Aufführung ist erfreulich und entsprechend reich fällt der Applaus am Schluss aus. Die Inszenierung erregt keinen Widerspruch.

 

Ingo Starz

 

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