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ATHEN/ Onassis Cultural Centre: FADED

Koerperlektionen

16.04.2019 | Allgemein, Ballett/Tanz


Foto: Elina + Giounanli

Onassis Cultural Centre, Athen: FADED

Besuchte Vorstellung am 14. April 2019
Koerperlektionen

Ioannis Mandafounis, der in der Schweiz lebt, ist als Taenzer und Choreograf ein gern gesehener Gast in Athen. Nun nimmt er Abschied von seiner Karriere auf der Buehne – und er tut dies mit „Faded“ in ebenso feinsinniger, lustvoller wie heiterer Weise. Fuer diese letzte Produktion, in welcher er selber auf der Buehne steht und dem Rhythmus der Musik folgt, hat er sich die Schauspielerin Antigone Frida als Mitstreiterin gewaehlt. Eri Kyrgia zeichnet sich bei diesem Projekt fuer die Dramaturgie, David Scrufari fuer das Sounddesign und David Kretonic fuer das Licht verantwortlich. „Faded“ laesst in knapp einer Stunde einer Taenzerleben Revue passieren, in dem es neun beruehmte Soli in Szene setzt. Soli und Zwischenszenen geraten dabei zu einer in Bewegung artikulierten Selbstbefragung. Die Zuschauer erleben Koerperlektionen der besonderen Art.

Das Stueck „Faded“ laesst sich als eine Art Meta-Choreografie begreifen, welche die Soli rahmt und zu einer durchaus anderen Wirkung bringt. Unter den beruehmten aelteren Choreografien finden sich Marius Petipas „Schwanensee“, Michel Fokines „Les Sylphides“ oder Kenneth MacMillans „Manon“. Mandafounis geht es bei seinen Darbietungen eben gerade nicht darum, Bravourstuecke abzuliefern, sondern zu zeigen, aus welchem Stoff klassischer Tanz gemacht ist: aus harter Arbeit naemlich, die dem Koerper alles abverlangt und an dessen Kraeften zehrt. So offenbart dieser Abend bei der Betrachtung eines aelter werdenden Taenzers die physischen Grundlagen und Strapazen des Tanzes. Und er tut dies insbesondere dann, wenn Mandafounis mit einem Sprung, einer Drehung oder einer Schrittfolge scheitert. Dies geschieht immer wieder, ja die Fehler werden umso deutlicher desto erschoepfter der Taenzer wird. Schoenheit und Erschoepfung gehoeren hier zusammen. Antigone Frida, welche mit der Querfloete fuer die musikalische Begleitung sorgt und dem Partner meistens in nonverbalen Dialogen verbunden ist, erweist sich ebenfalls als nicht perfekt. Einmal wechselt sie auch die Rolle und stuermt als Ballerina auf die Buehne: der Gipfel der Unvollkommenheit sozusagen. Dass das, was uns „Faded“ ueber klassisches Ballett und den Koerper des Taenzers erzaehlt, humorvoll und unangestrengt daherkommt, verleiht dem Ganzen seine besondere Qualitaet. Es macht uns Zuschauer wirklich mitfuehlend. Gegen Schluss holt Mandafounis eine aeltere Dame aus dem Publikum auf die Buehne und beginnt vor der auf einem Stuhl sitzenden Zuschauerin zu tanzen. Diese kurze Szene zeigt wie unter einem Vergroesserungsglas was Tanz generell auszeichnet: die Faehigkeit, mit dem Koerper und seiner Bewegungsvielfalt zu kommunizieren.

Das Publikum bedankt sich mit heftigem Beifall und Bravorufen fuer eine hintersinnige Choreografie.

Ingo Starz

 

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