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ATHEN/ Greek National Opera, Alternative Buehne: LEPORELLA ODER HINTER DER WAND von Giorgos Kouroupos. Uraufführung

13.01.2020 | Allgemein, Oper


Copyright: Greek National Opera

Greek National Opera, Alternative Buehne: Leporella oder Hinter der Wand

Urauffuehrung am 11. Januar 2020

Frau ohne Geheimnis

Giorgos Kouroupos, geboren 1942 in Athen, gehoert zu den wichtigsten zeitgenoessischen Komponisten in Griechenland. Er studierte in Athen und Paris und gehoerte in Frankreich zu den Schuelern von Olivier Messiaen. Mehrere Jahre arbeitete er mit Manos Hadjidakis zusammen, er schuf Musik fuer das Theater, den Film und die Opern- resp. Ballettbuehne. Er bekleidete verantwortliche Funktionen beim Griechischen Radio, der Nationaloper und am Athener Musikzentrum Megaro Mousikis. Mit seiner Ballettmusik „Odysseus“, welche als Koproduktion von Megaro Mousikis und der Hamburger Oper 1996 auf die Buehne kam, erlangte er internationale Beachtung. Nun hat Kouroupos im Auftrag der Alternativen Buehne der Nationaloper eine Kammeroper komponiert.


Copyright: Greek National Opera

Die Oper „Leporella“ basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von Stefan Zweig. Im Zentrum der Erzaehlung steht die Magd Crescentia, eine schweigsame, den Vergnuegungen des Lebens abgewandte Person. Ein Ortswechsel vom beschaulichen Zillertal nach Wien konfrontiert die Schweigsame mit den Ehestreitigkeiten in einem herrschaftlichen Haus. Als die Gattin des Barons fuer eine Weile ein Sanatorium aufsucht, beginnt sich der Hausherr mit wechselnden Damen zu vergnuegen. Der Anblick dieses Geschehens weckt das Begehren in Crescentia, zur treuen Gehilfin ihres Herrn zu werden. Von einer der Liebschaften erhaelt sie den Namen Leporella, weil sie dem Baron so bedingungslos ergeben ist wie Leporello seinem Herrn Don Giovanni. Die Magd erwacht bei diesem Treiben zu unbekanntem Leben und wird gespraechig. Die Rueckkehr der Baronin beendet Leporellas Glueck. Nach der baldigen Flucht des Barons aus dem Haus, toetet die Magd ihre Herrin. Als der Baron davon Kunde bekommt, wendet er sich von Leporella ab. Die allein gelassene Bedienstete begeht schliesslich durch Sturz in den Donaukanal Selbstmord.

Die Librettistin Ioulita Iliopoulou folgt zwar sehr genau der aeusseren Handlung von Zweigs Erzaehlung, vermag es aber nicht dem inneren Geschehen der Hauptfigur Raum zu geben. Sie legt ein konventionelles Textbuch vor, das mit seinen kurzen fuer Arien bestimmten Monologen eher an das fruehe 20. als das 21. Jahrhundert erinnert. Die innere Entwicklung Leporellas, ihr Finden der Sprache und ihr Entdecken der Lust, haben in Iliopoulous Libretto kaum Platz. Die Musik von Giorgos Kouroupos entspricht notwendigerweise dem Textbuch. Auch sie betont das aeussere Geschehen und hat wenig Atmosphaerisches an sich. Handwerklich ist die Kammeroper gut gemacht, mit den juengsten Formen zeitgenoessischen Musiktheaters hat das Werk aber nichts zu tun. Interessant in der Behandlung einzelner Instrumente, pflegt die Musik das Tonale, das gut Antizipierbare. Es ist bedauerlich das Librettistin und Komponist die Wandlung Leporellas von einer schweigend Duldsamen zu einem aktiven, sprechenden Gegenueber ihres Herrn nicht wirklich behandeln. Das Wesentliche von Stefan Zweigs Erzaehlung geht so verloren.

Das kleine Orchester unter der Leitung von Nicolas Vassiliou bewaeltigt seine Aufgabe bestens. Das Gesangsensemble bietet gute Leistungen, allerdings haette man Irini Karaianni als Leporella mehr Stimmfarben gewuenscht. Mit Tassos Apostolou als Baron, Myrsini Margariti als Baroness, Vassia Zacharopoulou als Hilda, Niki Haziraki als Hannah, Evita Hioti als Opernsaengerin und Petros Magoulas als Anton stehen erfahrene Kraefte des Hauses auf der Buehne. Der Regisseur und Ausstatter Paris Mexis belaesst das Geschehen im Wien der Jahrhundertwende, was eher die Beschaulichkeit des Ganzen betont und im Detail zu recht plakativen Momenten fuehrt. Von einer eindringlichen Personenfuehrung ist die Inszenierung weit entfernt. Die an der Wand lauschende, dem Treiben des Barons zugewandte Leporella wird durch ein effektvolles Oeffnen oder Hochfahren der Zimmerwand gezeigt. Ueber das, was im Inneren der Hauptfigur vorgeht, erfaehrt man so nichts. Leporella erklingt und erscheint in dieser Kammeroper die meiste Zeit als Frau ohne Geheimnis.

Das Publikum spendet allen Beteiligten und dem anwesenden Komponisten am Schluss kraeftigen Beifall. Ein paar Bravorufe sind auch zu hoeren.

Ingo Starz (Athen)

 

 

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