Athens & Epidaurus Festival / Odeion des Herodes Attikus
Operngala der Griechischen Nationaloper
Konzert am 28. Juli 2020
Noch mehr schöne Stimmen
Der Kultursommer 2020 stellt fraglos alle Veranstalter vor erhebliche Herausforderungen. Die Frage ist, wie man mit den Beschränkungen umgeht, ob man etwa die Gelegenheit nutzt, um Neues oder Ungewöhnliches auszuprobieren. Das Athens & Epidaurus Festival setzt mit seinem stark verkürzten Programm ganz auf Bewährtes und auf die Unterstützung der Institutionen. Die Griechische Nationaloper bot in diesem Rahmen innerhalb von drei Tagen eine zweite Operngala an. Das Programm war weitgehend dasselbe – warum eigentlich? – wie am ersten Abend.
Der italienische Tenor Giorgio Berrugi war es, der dem Abend die nötige Italianità verlieh. Seine warm timbrierte Stimme bot den Schmelz, den man im italienischen Fach erwartet. Berrugi wusste seine beiden Arien – „Quando le sere al placido“ aus „Luisa Miller“ und „E lucevan le stelle“ aus „Tosca“ – gekonnt zu gestalten. Daneben setzte er sich ebenso vorteilhaft in den Duetten aus „Un ballo in maschera“ und „La forza del destino“ und der Ensembleszene aus „Il trovatore“ in Szene. Ton und Phrasierung trafen den Geist der Musik.
Cellia Costea, die Ensemblemitglied der Griechischen Nationaloper ist, hat den dramatischen Ausdruck für ihre Rollen, ihre reife Stimme ist jedoch nicht immer im Fokus und neigt bisweilen zur Schärfe. Die Arien aus „Ernani“ und „Pagliacci“ machten diese Probleme deutlich. Als Elvira mag Costea noch durchgehen, für die Nedda fehlten ihrer Stimme Frische und runder Ton. Im Liebesduett aus „Un ballo in maschera“ konnte ihr Partner Giorgio Berrugi deutlich mehr punkten. Die Ensembleszene aus „Il trovatore“ geriet ihr ordentlich.
Der griechische Bariton Tassis Christoyannis singt seit drei Jahrzehnten für die Nationaloper. Sein helle, eher dem Lyrischen verhaftete Stimme ist nach wie vor gut geführt. Christoyannis weiss zu phrasieren, es fehlt ihm jedoch desöfteren an frei strömendem Klang. Wenig eindrucksvoll geriet die Arie „Di Provenza il mar“ aus „La traviata“, da es an Stimmkraft und Wohlklang mangelte. Besser gelang „O Monumento!“ aus „La Gioconda“. Da konnte der Bariton gestalterisch punkten. Seine Leistung in den übrigen Szenen war dank seinem Bühnentemperament überzeugend.
Pier Giorgio Morandi führte das Orchester wie zwei Tage zuvor sicher durch den Abend. Das Ganze klang nun eine Spur dramatischer – und das war gut so. Das Publikum zeigte sich begeistert und erhielt wiederum eine Zugabe aus „La traviata“.
Ingo Starz (Athen)