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ATHEN/ Athens & Epidauros Festival, Peiraios 260: RICHARD III.

Bolero mit Richard

14.06.2019 | Allgemein, Theater


photo: Evi Fylaktou.jpg

Athens & Epidauros Festival, Peiraios 260

Richard III.

Premiere am 13. Juni 2019

Bolero mit Richard

Fuer eine Buehnenproduktion von William Shakespeares‘ „Richard III.“ braucht es sicher mehr als einen ueberzeugenden Hauptdarsteller. Ohne einen Schauspieler in der Titelrolle, der den energetischen Mittelpunkt des Geschehens darstellt, geraet eine Inszenierung des Klassikers freilich schnell in Schieflage. Doch, wie naehert man sich heute einer Interpretation des charismatischen Boesewichts an? Der Regisseur Christos Theodoridis setzt Shakespeares Stueck mit seiner Theatergruppe „The Little Things Orchestra“ in die grosse Halle D an der Peiraios 260 und verliert sich dabei etwas in Bildern und Raum. Oder anders ausgedrueckt: Die Auffuehrung mutet wie eine Probe fuer das antike Theater von Epidauros an.

Der weite Buehnenraum in der Halle D weist im Zentrum ein Podest auf, welches von weissen Vorhaengen begrenzt wird und als geschlossener oder offener Raum bestimmt werden kann. Buehnenbild und Kostueme von  Tina Tzoka sind ebenso zeitlos wie sie Referenzen zur elisabethanischen Epoche aufweisen. Dieses Setting ist interessant und erlaubt ein fluessiges Spiel. Der von Vasilis Dokakis gestaltete musikalische Part greift auf moderne Unterhaltungsmusik und auf Maurice Ravels „Bolero“ zurueck. Das beruehmte Orchesterstueck erklingt mehrfach und das „lange, progressive Crescendo“ wird so zum Leitmotiv des Abends. Die Musik und die Bewegungsfuehrung der Darstellerinnen und Darsteller – Choreographie: Xenia Themeli – geben gleichsam den Rhythmus vor, in welchem sich die Bildfindungen des Regisseurs entfalten. Christos Theodoridis entwirft tableauartige Szenen, die immer wieder zu Standbildern gerinnen. Er laesst dabei die Akteure um Richard als Einzelcharaktere und als Chor agieren. Dem Sprechen auf der Buehne haftet, was auch dem Einsatz von Mikroports zuzuschreiben sein duerfte, etwas Deklamatorisches und Gleichfoermiges an. Die Inszenierung erzaehlt die Tragoedie mit grossen bildhaften Gesten und Bewegungen, sie vernachlaessigt jedoch die individuelle Formung der Figuren. Sicher, Richard wird als Menschenfaenger, der bisweilen wie ein Hund die Beute belauert, und im eindruecklichen Schlussbild als Gejagter gezeigt, umringt und niedergestreckt von einer grossen Menschenmeute. Die Beweggruende der Haupt- wie der Nebenfiguren verschwinden aber leider zu sehr hinter der oftmals ritualhaften Darbietung. Shakespeares „Richard III.“ sollte mehr sein als ein langes Crescendo. Die der antiken Theaterauffassung in manchen Aspekten nahekommende Auslegung durch „The Little Things Orchestra“ wuerde in Epidauros vielleicht bessere Wirkung zeigen.

Das Ensemble, welches im Schlussbild um zahlreiche Akteure vermehrt wird, folgt dem Konzept der Auffuehrung mit grossem Engagement. Die szenischen Tableaus geraten sehr stimmig, auch wenn die Botschaft hinter den Bildern haeufig nicht genug kenntlich wird.  Giorgos Christodoulou gibt in einigen Szenen eine starke Erscheinung ab – insbesondere im Schlussbild -, im Ganzen bleibt sein Spiel und Sprechen aber zu wenig ausdifferenziert. Und dies gilt im Grunde fuer alle Schauspielerinnen und Schauspieler, welche da waeren: Georgina Daliani, Xenia Themeli, Giorgos Kissandrakis, Nikos Lekakis, Leonidas Argyropoulos, Alkis Bakogiannis, Katerina Patsiani, Tatiana-Anna Pitta, Vasilis Safos, Loukas Kyriazis und Yannis Simos. Zu den starken Momenten des Abends, dies sei abschliessend erwaehnt, gehoert das kurze Auftreten von Nikos Lekakis als Koenig Edward.

Am Schluss gibt es viel Beifall und ein paar Bravorufe fuer das Ensemble und das Produktionsteam.

Ingo Starz

 

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