Volkstheater –
wäre das nicht eine Idee?
Wenn man, wie ich, die „Bühne“ nicht mehr liest, seitdem sie zuletzt einem neuen Team übergeben wurde (man muss ja nicht alles sympathisch finden, und das Heft einfach nicht mehr zu beziehen, ist auch eine Lösung), kann man seine Neuigkeiten aus der Gratis-Zeitung beziehen, die mir allerdings selten in die Hände fällt, Immerhin, am 31. 10. konnte man da lesen, und es war wohl kein Halloween-Scherz, dass Michael Niavarani das Volkstheater kaufen würde.
Vielleicht erscheint das manchen Leuten nur ein Kopfschütteln wert, aber ich finde die Idee nicht so abstrus. Wobei ich einräumen muss, dass ich Niavarani vor allem geschätzt habe, als er noch Kabarettist reinsten Wassers war. Das Simpl war keine Adresse für mich, aber ich denke, er hat das sehr geschickt geleitet. Was ich von seinem Wiener „Globe“ gesehen habe, fand ich gelegentlich witzig, gelegentlich unterirdisch, auch wenn man den Begriff Shakespeare weit fasst. Aber er hatte doch wohl Erfolg damit?
Allen möglichen Einwänden zum Trotz: Dennoch meine ich (Ceterum censeo), dass man die Idee, das Volkstheater zu verkaufen und ein Privattheater daraus zu machen, nicht gänzlich beiseite schieben, sondern einmal erwägen sollte. Auch wenn den alten Arbeiterkammer-Fürsten (so es diese noch gibt), das Herz bricht, wenn sie „ihr“ Theater hergeben sollten. Ehrlich – Freude daran haben sie schon lange nicht mehr gehabt.
Schottenberg war, so sehr er zeitweise lavieren musste, noch ein Prinzipal, wie es das Haus und sein Publikum verlangte, echte Stücke und echte, teilweise sehr, sehr gute Schauspieler. Was dann kam, mit Anna Badora erst (da verlangten sogar einige AK-Leute, dass man sie vorzeitig hinaus schmeißt) und nun gar mit Kay Voges (der das Haus großteils für Veranstaltungen zweckentfremdet, die in irgendwelche Stadtrand-Arenen gehören), war die reine Katastrophe, man kann es nicht anders sagen.
Dass Frau Kaup-Hasler da hohe Mitschuld trägt, hat man ihr oft genug gesagt, sie will es nur offensichtlich nicht wahrhaben. Und wenn man ihr die nächste Besetzung des Direktionspostens überlässt, kann man fast sicher sein, dass ihr noch Obstruseres einfällt. Da könnte man gleich zusperren…
Also, warum eigentlich nicht das Unkonventionelle erwägen? Wenn Herr Niavarani (keine Ahnung, welche Banken ihn da stützen würden) das Haus zu einem vernünftigen Preis erwerben und dann betreiben kann, stünde er wie jeder Unternehmer vor der Tatsache, dass er es füllen muss, weil niemand (wie die 15 Millionen der Josefstadt, wie die dauernden Defizite der anderen) schweigend für ihn und seine Fehlentscheidungen zahlen würde.
Er müsste Theaterkarten verkaufen, sprich: er müsste etwas anbieten, das für das Wiener Publikum und für ein Haus, das nicht von ungefähr „Volkstheater“ heißt, passt. Und weil die Wiener immer der Ansicht Max Reinhardts waren, dass das Heil nur vom Schauspieler kommen kann, müsste er das Beste zusammen holen, was verfügbar ist. Viele gehen ja nur noch (oft auch für mikrige Rollen) vor die Fernsehkameras, weil sie mühelos mehr verdienen als bei der Theaterarbeit, die ihnen angesichts des Regiewahnsinns nichts mehr bietet. Aber welcher Schauspieler könnte schon einer echten Herausforderung widerstehen?
Natürlich müssten neben dem Geld auch sehr viel Ambition, Intuition, Verstand, Kenntnis, Mühe, Gehirnschmalz aufgeboten werden, damit das geschieht, was innigst zu wünschen wäre: Das Volkstheater zu retten. Dieses wunderbare Haus, in dem Leon Epp und Gustav Manker Theatergeschichte geschrieben haben und aus dessen Reihen die besten Schauspieler Wiens kamen (und dann an die anderen Theater der Stadt gingen, heiß begehrt von Burg und Josefstadt). Das Haus, in das man sorgenfrei hinein gehen konnte, weil es immer etwas Interessantes zu sehen gab.
Man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Aber einiges ließe sich schon viel besser machen als bei Frau Badora und Herrn Voges. Lasst Niavarani das Volkstheater kaufen. Wäre das nicht eine Idee, des Überlegens und Durchdenkens wert? Oder lasst Euch etwas anderes Gescheites einfallen. Oder muss man wirklich blind (oder anders gesagt: sehend) in die nächste zeitgeistige Katastrophe schlittern?
Renate Wagner