Armida Quartett
Beethoven, Schostakowitsch
CAvi CD
Nach des Streichquartetts Schöpfer Joseph Haydns schönster Oper Armida benannt, rekrutiert sich diese junge Berliner Kammermusikformation aus jenem Kreis neugieriger und aufgeschlossener Musiker, die scheinbar Altbekanntem noch immer neue Facetten abgewinnen können. Ein unverstellter Blick auf die vorgestellten Kompositionen (Beethoven: Streichquartett Nr. 7 F-Dur op. 59 Nr. 1, Schostakowitsch: Streichquartett Nr. 10 As-Dur op. 118) erlaubt aufregende Hörerlebnisse. Nicht romantisierend oder klassisch (allzu) ausgewogen ist ihr Zugang, die kühnen innovativen Klangwelten eines Beethoven im Rasumowsky Quartett erschließen sich im sehnig aufgerauten, ungemein präzisen Spiel, stets durchhörbar und an jenem feinen Nerv entlang musiziert, der diesem Werk ohne „Zeit und Ziel“ (Gerd Indorf) so trefflich ansteht.
Die vier „Armiden“ (Johanne Staemmler Violine, Peter Philipp Staemmler Cello, Teresa Schwamm Viola, Martin Funda Violine) zeichnen die Motive und deren stete Wandlungen stets klar und in die kompositorischen Strukturen gewoben. Der Hörer hat den Eindruck, dass die Musiker diese Beethoven-Partitur spontan erleben und selbst von so manchen Stimmungswechseln in der emotional und kompositorisch reichen Weltenschau überrascht sind. Im Adagio (laut Beethovens Notiz „ein Trauerweiden- oder Akazien-Baum aufs Grab des Bruders“) gelingen wunderbar spannungsgeladene Piani, die Stimmung ergibt sich eher aus dynamischem Feintuning denn aus einem weicheren Strich.
Das expressive und strukturell scharf gedachte Miteinander des Armida Quartetts (Haben da etwa die Meisterkurse beim Alban Berg Quartett Spuren hinterlassen?) lässt es nachvollziehbar erscheinen, dass Beethovens Zeitgenossen sein Op. 59 mit durchwachsenen Gefühlen aufgenommen haben. Das Booklet hält hierzu einige hübsche Anekdoten bereit: Das Schuppanzigh-Quartett soll bei der ersten Begegnung mit der Nr. 1 aus dem Op. 59 gelacht haben, weil sie dachten, die Noten wären ein (schlechter) Witz. Der Beginn des Scherzos soll zudem den Cellisten Bernhard Romberg derart erzürnt haben, dass er die Noten zu Boden warf und darauf herumtrampelte. Se non è vero, è ben trovato.
Die Koppelung mit Schostakowitschs zehntem Streichquartett, Op. 118, 1964 im armenischen Kurort Dilidschan entstanden, ist gut gewählt, setzt sie doch den inneren Kontrast des Beethovenschen Oeuvres musikgeschichtlich versetzt mit Schostakowitsch fort. Wiederum ist der Ansatz des Armida Quartetts seines Namensgebers reflexiver Intuition absolut würdig, die Kühle des Klangs spiegelt klar die Janusköpfigkeit zwischen unbeschwert und gespenstisch, Wohlklang und brachialem Ausbruch. Technisch kann das Armida-Quartett so ziemlich alles zeigen, was man so drauf haben muss, seien es das Spiel auf dem Steg oder unter Gebrauch des Dämpfers im ersten Satz, die Fortissimo-Orgie im Scherzo, eine tänzerische Passacaglia nach barockem Vorbild samt Variationen im Adagio sowie die für Schostakowitsch so typischen motorischen Rhythmen und komplexen Stimmungswechsel im Finale.
Eine Empfehlung.
Dr. Ingobert Waltenberger