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ARMBRUSTER Sylvia & Clemens UNTERREINER : Ein PATCHWORK Interview

Patchwork  

Das Patchwork-Team der Kinderoper PATCHWORK

Das Patchwork-Team der Kinderoper PATCHWORK

 

Ein Gespräch mit einer Regisseurin und ihrem Bariton über eine Kinderoper.
Als Patchwork-Interview im Anschluss an eine Bühnenprobe.

Die Regisseurin: Sylvia Armbruster

Sylvia Armbruster

Sylvia Armbruster

 Der Bariton: Clemens Unterreiner

Clemens Unterreiner

Clemens Unterreiner

Ort der Handlung: AGRANA Studiobühne in der Walfischgasse

Thema: Über eine Patchwork-Familie mit allen ihren Freuden und Problemen, aufbereitet als Kinderoper namens PATCHWORK von der Librettistin Johanna von der Deken, die auch die Idee zu diesem Thema hatte und vertont von Tristan Schulze, angelegt als Liebes- und Lebensversuch zweier Alleingelassener und einer Menge Kinder. Kids als Kitt sozusagen.

 

Wie steht es mit eigenen Patchwork Erfahrungen? Wurden solche vom Libretto gut getroffen?

Sylvia Armbruster:  Meine persönliche Situation war durch den Unfalltod meiner Mutter gegeben, die Erfahrung war aber keine grundsätzlich andere, auch wenn im Stück zwei Scheidungseltern betroffen sind. Und  gleich drei Kinder in Schach zu halten, von einer allein auf sich gestellten und alleinerziehenden Mutter? Das ginge ja wohl noch zu zweit, aber alleine, wie diese Mutter hier auf der Bühne? Das ist jedenfalls die Ausgangsposition zu dieser Kinderoper.

Un dann kommt Niko, der Nachbar, ein von seiner Frau verlassener Architekt ins Spiel…

Clemens Unterreiner:  …der dann nach vielen Hindernissen die Zusammenlegung der beiden Wohnungen plant und zu guter Letzt die Wand dazwischen niederreißen lässt. Was ich mir als Architekt – wäre ich einer geworden – zu bauen gewünscht hätte? Natürlich ein Opernhaus, bei denen ich nicht zu wenige Toiletten einplanen würde so wie beim Neubau des Linzer Landestheaters, in dem es auf der Ebene der Garderoben für die Herren nur eine einzige Toilette gibt. Auch bei den Damen ist die Situation nicht besser, wo dann die Damen heimlich an den dort stehenden Herren vorbei, fremde Toiletten aufsuchen müssen. Im Stück wird nicht erzählt, was ich baue, ich selbst wäre eher gerne ein Landschaftsarchitekt geworden, ökologisch bauend, ein alternativer Architekt. In diesem Sinne also kein Stadtbaumeister sondern ein gemütlicher schöngeistiger Landschaftsarchitekt mit biologischem Öko-Zertifikat.

SA:   Und jetzt kommt es zur Bildung dieser Patchworkfamilie mit diesem Schöngeist. Die besondere Situation ist ja dann gegeben, wenn beide Eltern berufstätig sind und die Kinder vieles alleine regeln und untereinander aushandeln müssen. Das ist in der Patchworkfamilie ja ähnlich wie in einer „normalen“ Familie.

CU:   Was mir ja ganz wichtig ist bei dem Stück, und das möchte ich als positives Beispiel ganz bewusst betonen, das ist die im Stück gegebene Situation, dass Kinder auch den Vätern zugesprochen werden. Dieses Thema wird immer so unter den Tisch gekehrt, aber in Österreich werden zu einem äußerst hohen Prozentsatz die Kinder den Müttern zugesprochen. So finde ich es sehr schön, dass ich im Stück ein alleinerziehender Vater sein darf mit aller Verantwortung und mit einem Kind welches bei mir wohnt, von mir erzogen wird und dies nicht nur auf eine Beziehung auf wenige Wochenenden beschränkt ist. Wenn ich auch keine Kinder habe und auch keine Patchwork-Erfahrung, so ist mir die Situation von Scheidungsväters gerade während der Proben zu diesem Stück noch bewußter geworden.


Hatten Sie schon Erfahrung mit Kinderopern?

SAIch unterrichte schon seit zwölf Jahren an der Hochschule in München Sängerinnen und Sänger in Interpretation und Schauspiel. Es ist also nicht ganz neu für mich, mit Menschen umzugehen, deren Talent noch ungeformt ist. Aber schon bei den ersten Proben merkt man, dass man sich leicht „zum Narren macht“, dass diese Riesenautorität als Regisseurin herabsinkt und man die Kinder bei ihren ureigenen Erfahrungen „abholen“ muss, dass man auf konkretem Erfahrungsschatz hinweisen muss, die ihrem Lebensalter entsprechen und die sie in ihrem bisherigen Leben mitgemacht haben. Damit finden sie sich auf der Bühne schnell zurecht, weil die dortige Situation – nämlich die im Stück – realen Situationen so sehr entspricht.

Auch ist Kindern das gesungene Wort nicht fremd, ich glaube jedes Kind und überhaupt die Kinder aus der Opernschule wollen gerne singen.

 CU:  Was ich mit der Kinderoper erfahren habe ist, dass man bei Kindern ungemein intensiv dranbleiben muss, die fangen sonst sofort zu gähnen an und sind sofort weg, fadisieren sich oder werden laut und unruhig. Wenn man das nicht so inszeniert und auf die Bühne bringt, dass man sie da an der Stange halten kann, wird das eine schwierige und heikle Sache, das darf weder zu wenig, noch zu viel sein. Auch ist mir ist da das Wort sehr wichtig und das Spiel.

Für die Kinder ist eigentlich so eine Kinderoper mit gesungenen Texten etwas ganz normales, sie stehen mit großen Augen da und merken, dass da komplexer Gesang geboten wird und nicht nur etwas zum nachträllern in der Badewanne. Das ist auch eine sehr anspruchsvolle Musik, die da Tristan Schulze komponiert hat, das Orchester ist dafür genügend groß besetzt und das macht eben das Opernfeeling, denn die Kinder erwarten ja so etwas auch, wenn sie kommen. Und der Stoff ist tatsächlich aus dem Leben gegriffen, nicht etwa wie ein Märchenstoff oder wie etwa der Ring für Kinder, der ja auch ein riesiger Erfolg war. Aber ich glaube, die Aktualität wird die Stärke dieses Stücks sein. Das ist jetzt tatsächlich Kinderoper, verdient auch dieses Prädikat, weil die Kinder die Hauptdarsteller sind, weil die Kinder gefordert sind. Ich bewundere es, wie die das machen, sie müssen richtig singen und musikalisch richtig einsetzen, ich bewundere das, denn das ist nicht leicht. Sie gehen ja in die Opernschule, es hat einen Sinn, das es die gibt, die hat Qualität, man sieht die Fortschritte. Und wenn da jedes Mal nur drei oder vier Kinder pro Vorstellung hinausgehen und sagen „Mami, ich will auch in die Opernschule“, dann haben wir gewonnen.

SA:  Und das sind auch ganz normale coole Kinder die darzustellen sind, die Kinder im Publikum können sich tatsächlich identifizieren mit den Figuren auf der Bühne, das könnten Kinder aus der Nachbarwohnung sein. Da gibt es ganz kleine Mädels, und eine Resolutere darunter, wir haben auch einen Buben, der Gitarre spielt.

Ab sechs Jahren ist diese Oper für Kinder geeignet, die wissen ja schon was da in einer Familie los ist. Die Konflikte verstehen die schon genau so wie auch die Versöhnung mit der Mama. Themen wie alltägliche Reibereien, Harmonie, Liebe und Manipulation der Erwachsenen durch „die kleinen Teufelchen“ werden in unterhaltsamer Form transportiert. Kinder kennen uns doch ganz genau und loten alles aus und so ist es auch im Stück…

CU:  …und die Konflikte sollen ja stattfinden, es soll ja nicht heißen „Schon wieder so eine Gutmenschenoper“, wie man so blöd sagt. Dem früher etwas verächtlich angewendeten Wort Patchwork wird mit diesem Stück eine positive Seele eingehaucht.

 

Wie war Ihre Erfahrung bei Probenarbeit mit Kindern:

SA:  Die ersten zwei Wochen haben wir mit allen Kindern geprobt, alle Kinder waren gleichzeitig anwesend und sind jeweils abwechselnd eingestiegen oder haben zugesehen. Für jede Rolle waren drei Kinder vorgesehen, wobei sich da nach und nach bei den Proben herauskristallisiert hat, welches sich am besten im Zusammenspiel mit den anderen eignet. Mit zwanzig Kindern zu arbeiten ist natürlich ein großes Juhu und es war lustig zuzusehen, wie allein schon meine Ankündigung, dass jetzt die Kussszene oder die Flirtszene angesetzt sei, es zu minutenlanger neugieriger Unruhe bei den Kids kam. Nach diesen zwei Wochen wurde dann bereits jeweils nur mit einer Besetzung pro Bühnenkind geprobt und es war konzentriertere Arbeit angesagt…

CU:  …Jede Kinderopernproduktion ist doppelt so anstrengend wie mit Erwachsenen, wegen der vielen Wiederholungen. Man muss sehr geduldig sein mit den Kindern, das habe ich gelernt.

SA:  Ich habe mir ja anfangs gedacht, ich würde mir einen großen Plan machen für meine Arbeit bei meiner ersten Kinderoper, einen pädagogischen Plan für die Arbeit mit den zwanzig Kindern, wo ich doch schon bei der Erarbeitung des Treatments zugezogen war, beim genauen Plan für Länge der Oper. Und vor lauter Vorarbeiten stand ich dann ohne diesen Plan da, doch nach einer Schrecksekunde „Ich hab ja gar keinen Plan“ durfte ich erfahren, wie hilfsbereit die Mitarbeiter des Hauses sind.

 

Und wie kann man neue Publikumsschichten der Oper näherbringen?

CU:  Das angesprochene Schlagwort Oper 4,0 sollte ja wohl heißen, neue Schichten zu gewinnen, vor allem die Jugend unter Zugrundelegung heutiger elektronischer Medien. Dazu muss ich sagen, das tun wir in der Staatsoper schon seit es die Kinderoper gibt. Natürlich ist das ausbaufähig, man kann immer mehr geben, aber es war Direktor Meyer sehr wichtig, die Kinderoper – vor allem qualitativ – immer weiter nach vorne zu bringen.

Es war auch ein Glücksfall, dass wir mit den Kindern in die Walfischgasse gekommen sind, immerhin sogar ein Theater mit einer richtigen Bühne und mit einem Foyer, das alleine schon hat Qualitätsgewinn für dieses Unternehmen gebracht und das richtige Opernfeeling. Ich betrachte es grundsätzlich positiv, wenn es diese Idee, die es schon lange gibt und mit der sich die Staatsoper so eine tolle Schiene aufgebaut hat, von der Politik auch weitergedacht wird.

Man kann natürlich alles breiter aufstellen, ich glaube aber, die Qualität muss im Vordergrund bleiben und das Handwerkliche. Im Vergleich mit Pop, Rock und Sport wird die Oper immer ein Minderheitenprogramm sein, aber es ist wichtig, dass sich diese Sparte den Herausforderungen der Zukunft stellt. Die Oper als Kunstform und das Handwerk des Sängers müssen dabei weiterhin an erster Stelle stehen.

 

Zur Technik des Singens in dem relativ kleinen Raum der AGRANA-Bühne befragt, vermerkt Clemens Unterreiner:

Technisch singe ich nicht anders als zu Hause in der Badewanne oder auf einer großen Bühne oder bei einem Liederabend oder in einem Hauskonzert oder eben hier. Es ist technisch das Gleiche, aber ich muss doch viel mehr dosieren, zusammen mit dem hinter dem Publikum situierten Orchester ist es eine dynamische Herausforderung, wir können viel feiner artikulieren, mehr am Text und am Wort sein und haben hier die Möglichkeit, viel mehr Gestaltungsfreiheit, mehr Intimität mit der Stimme zu zeigen, auch Sprechgesang einzubauen, wobei wir hier den Komponisten auch bei der Hand haben und mit ihm arbeiten, was ich ganz toll finde, wenn man so etwas gemeinsam entwickeln kann.

Auf den Dirigenten kann man direkt hinschauen, aber das ist ja das, was auch Thielemann immer verlangt: „Junge, guck mich an, guck mich an!“, es steht uns auch ein Sound-Monitoring zur Verfügung. Tristan Schulze hat ja auch meine Rolle auf mich hin komponiert, hat er mir gestanden. Er hat meine Bariton-Tessitura voll ausgenützt, da fühl ich mich geehrt aber ich kann doch hier nicht so Gas geben wie beim Escamillo, sonst versteht man die Worte des Textes schwerer oder womöglich gar nicht mehr.

 

Mit der Regisseurin Sylvia Armbruster und dem Bariton Clemens Unterreiner sprachen für den MERKEROnline Konstanze Kaas und Peter Skorepa

 

Peter Skorepa
MERKER
Online
28.Jänner 2017

Fotos von der Generalprobe der Kinderoper PATCHWORK: Michael Pöhn-Wiener Staatsoper
Fotos der Interviewten privat

 

 

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