VERONA / Arena: DON GIOVANNI – Premiere am 22. 6. 2012
Mozarts Debüt in der Veroneser Arena
Ungeduldig wurde das Arenapublikum, als Mozart, der Debutant in Veronas Freiluftspektakel, immer wieder einen draufsetzte, mal eine Arie oder ein Duett, dann endlich den Tod des sympatischen Lüstlings, aber zuletzt auch noch eine moralisierende Schlussnummer. Die gedeckten Tische auf der Piazza Bra warteten und ein Schwarm von Besuchern konnte der Chance nicht widerstehen, jeweils die kurzen musikalischen Interruptionen zur Flucht ins Freie und zu den Genüssen der italienischen Küche auszunützen.
Die Zurückgebliebenen – im Sinne des Ausharrens – in der leidlich vollen, für rund 14.000 Besucher zugelassenen Arena, spendeten zu guter Letzt viel Beifall, besonders als der greise Ausnahmeregisseur in seinem Rollstuhl auf die Bühne kam und, sorgfältig hochgehoben, den Jubel entgegennahm. Nicht nur der Rahmen und die Gegebenheiten einer Open Air Bühne in dieser riesigen Schüssel, nicht nur sein Hang zum Original, sondern auch sein in den letzten Jahren etwas erstarrter Hang zu Opulenz und Überfrachtung, dies konnte Franco Zeffirelli auch diesmal nicht leugnen. Sein Mozartstil entführte uns an diesem Abend jedenfalls weit zurück in die Interpretationsgeschichte der Oper, zu einem Aufführungsstil, der ja angeblich von heutigen Regiepraktiken zum Aussterben verurteilt ist, aber seitens der Mehrheit der Besucher auf einhellige Zustimmung stößt.
Nun hat jeder Regieestil, der auf allzu differenzierende Details Wert legt, keine Chance in dem Riesenrund, diesem wird man nur mit großen Gesten und raumgreifenden Auftritten gerecht. Zeffirelli begegnet dem allen mit einer sehenswerten und riesigen, neobarocken Prunkfassade und belebt das bis hin zu den weit auseinanderliegenden Aussenbühnen mit einer Hundertschaft an Statisten, Tänzern, Gauklern, hohen Herrschaften ebenso wie dienendem Volk, Bauern, Mägden, Badern und dazu immer eine Menge an Tieren. Da wuselt es ungemein, da tut sich immer was, da ist auch der gelangweilteste Tourist immer abgelenkt und zufrieden. Schöne Stimmen, schöne Weisen, gut verpackt. Maurizio Millenotti könnte wirklich Tausend Nächte mit dem Entwurf der Kostüme verbracht haben und Paolo Mazzon ist der “Lighting Designer”, der diesen manieristischen Steinhaufen mit passenden Lichtern versieht.
Mozart kommt überraschend gut “rüber”, sowohl beim Orchester – hier bereits seit Jahren light-verstärkt – als auch bei den Sängern. Ildebrando D`Arcangelo, zu seinem letzten Streich in der Pferdekutsche anrollend, macht gute Figur und ist stimmlich überzeugend. Ein liebenwürdiger, gut aussehender Held, dessen Zynismus sich in dem Arenarund verdünnt. Man kann die Wirkung auf seine “Opfer” verstehen. (Wer auf ARTE oder im Original verfolgen konnte, was Dimitri Tscherjakov in Aix en Provence aus dem Titelhelden machte und das auch überzeugend, der weiß jetzt, dass diese Figur auf der Bühne nicht umzubringen ist)
Von seinen Angebetenen war nur Carmen Giannattasio als Elvira voll überzeugend, schönstimmig auch im Dramatischen. Anna Samuil zeigte Schärfen in den Höhenregistern und Intonationsschwierigkeiten, die man auch im Publikum nicht überhörte, während Geraldine Chauvet – in Wien als Donna Rosa im “Postino” bereits mit Erfolg aufgetreten – mit ihrem klingenden Mezzo positiv auffällt.
Dass Bruno de Simone mehr dem Spass, dem Buffonesken seiner Rolle gerecht wird, soll kein Vorwurf sein. Heute sind vollmundigere, ihrem Herrn überlegenere Typen angesagt. Und Saimir Pirgu wird, egal in welche Regiehände er je gelangen sollte, wohl nie wie ein Kümmerer in dieser Rolle wirken. So wie wir ihn aus Wien kennen, bleibt er jeden Zoll ein spanischer Edelmann – auch gesanglich, nachdem er sich erst so richtig warmgesungen hatte. Ein wenig mehr Schmelz in der Stimme, wenn er nur hätte. Den Commendatore sang achtungsgebietend aber mit reichlichem Tremolo versehen, Paata Burchuladze. Vincenzo Taormina, der junge Palermitaner mit Interpretationsausbildung u.a. bei Carlo Bergonzi gab eine Kostprobe seines Könnens als Masetto.
Daniel Oren, nicht gerade ausgewiesener Mozartspezialist, bringt seine Erfahrung in der Arena hinsichtlich akustischer Umsetzung ein, sein Dirigat ist straff und dramatisch vorantreibend, dabei aber immer sängerfreundlich, mehr kann man an diesem Ort wegen seiner akustischen Verhältnisse nicht herausholen.
Peter SKOREPA 23.6.2012