In eigener Sache –
oder: Auch egal
Ich bin nicht bei Facebook, Twitter, Instagram und was es noch geben mag. Ich verweigere die Sozialen Medien ganz bewusst. Erstens habe ich keine Lust, mich selbst darzustellen, und zweitens verschwende ich meine Zeit nicht darauf, anderer Leute Egotrips zu liken.
Dergleichen Verweigerung fällt allerdings auf einen selbst zurück, wenn man doch etwas sagen will. Dann ist man froh, eine kleine Nische in Form der „Apropos“-Glosse zu besitzen – und einen Chefredakteur zu haben, der die Mitarbeiter nie zensuriert. (Dass die Meinung des Beitrags nicht mit jener der Chefredaktion übereinstimmen muss, das ist als Blablabla-Floskel in unserer Welt, wo das freie Wort so gefährlich geworden ist, unvermeidlich).
Ich möchte also, wie Schillers Ferdinand, der Residenz eine Geschichte erzählen – allerdings darüber, wie man Chef-Staatsopern-Kritiker in einer „unbedeutenden kleinen Provinzzeitung“ wird (Formulierungs-Copyright: copy). Dazu muss ich leider noch einmal auf die Vorgeschichte zurückkommen.
Diese basiert auf der seltsamen Annahme eines Operndirektors und eines Chefredakteurs, ich sei nach jahrzehntelangen absolut friedlichen Besuchens der Wiener Staatsoper eines Tages mit der festen Absicht aufgebrochen, eine Billeteurin bösartig und ohne Grund als „dumme Kuh“ zu beschimpfen. Dass dem eine gewaltige Provokation ihrerseits voraus gegangen sein muss, wollte niemand hören, auf meine Einwände und Erklärungen wurde nicht eine Sekunde eingegangen. Das Fallbeil sauste nieder, ich wurde meiner Pressekarten für das „Volksblatt“ entkleidet und man erklärt großzügig, von einem Hausverbot abzusehen, aber wehe, wehe, wenn wieder etwas passiert, dann fliege ich natürlich in hohem Bogen hinaus…
Auch egal.
Ich habe die Staatsoper seither nicht mehr betreten, werde es auch nicht mehr tun, kann nur leider nicht, wie ein überfallenes Land, vor den internationalen Gerichtshof ziehen, wenn die Staatsoper brutal das Recht des Stärkeren ohne weitere stichhaltige Begründung ausgeübt hat. Die Politik zeigt uns, dass es geht, und dass man auf jeden Protest nur herunterlächeln kann. Wer es kann, wird seine Macht ausüben – und sie haben’s lustvoll getan.
Die Politik zeigt uns auch die Unverhältnismäßigkeit des Vorgehens: In einer Welt, wo Politiker einander mit allem Möglichen beschimpfen, scheint eine – in meinen Augen verdiente – „dumme Kuh“ ja wohl ein kleines Verbrechen zu sein. (Ich korrigiere mich, die Dame war gescheit genug zu wissen, bei wem sie sich beschweren muss, bevor man sich über sie beschwert – sie wird ihre Karriere machen.) Aber die Staatsoper freute sich, mich zu eliminieren (ohne dass ich mich für zu wichtig halte, aber wahrscheinlich war ich ihnen nicht angenehm), und die Herrschaften können ja schließlich tun, was sie wollen. Verhaltensparameter gelten wohl nicht.
Der Chefredakteur des „Volksblatts“ hat es sich einfach gemacht. Er nahm die Vorverurteilung, die ihm von der Staatsoper präsentiert wurde, einfach ohne den geringsten Zweifel (oder Nachfrage) hin, und was die Herrschaften korrespondiert haben, weiß ich nicht, es wurde nie ein Wort mit mir gewechselt. Nur dass Herr Schulz mir triumphierend mitteilte, der Chefredakteur habe sich in meinem Namen entschuldigt, und damit sei der Fall für die Staatsoper erledigt. Das haben sich beide Seiten über meinen Kopf hinweg schön ausgemacht – als wäre ich ein Stück Dreck, das da zwischen ihnen am Boden liegt und keines Blicks, keiner Beachtung wert ist. Urdemokratische, hoch anständige Zustände.
Erledigt war die Sache für mich nach dem Motto „auch egal“ eigentlich auch. Aber nun kommt die neue Geschichte. Einen Chefredakteur, der so gern bereit war, eine unliebsame Mitarbeiterin fallen zu lassen, muss man belohnen. Und wenn man ihm nun massenhaft Staatsopern-Pressekarten anbietet, natürlich unter der Bedingung, dass besagte Dame nicht schreibt, kann man diese noch zusätzlich ganz schön demütigen, nicht wahr?
Die Kulturredakteurin, von der ich aus eigener schmerzlicher Erfahrung weiß, dass sie sich für die Wiener Staatsoper wie für das Schwarze unter dem Fingernagel interessiert hat, engagierte nun Herrn Ingo Rickl für die plötzliche Kartenflut (dass keiner mir das mitgeteilt hat, ist ohnedies klar). Dieser hat sich in vielen Jahren durch die Operetten-Berichterstattung in Steyr oder Ischl ausgezeichnet, und seine Kritiken werden der Wiener Staatsoper sicher viel Freude bereiten. Zumal man ihnen jetzt so viel Platz einräumt. Ja, ja, eine Hand…
Ingo Rickl ist übrigens der Schwiegervater jenes „copy“, der in unserem Forum mit Vorliebe den Chefredakteur attackiert. Wenn er mich treffen wollte, sprach er vom „Volksblatt“ als einer „unbedeutenden kleinen Provinzzeitung“. Das wird sich nun vielleicht ändern, wenn der Schwiegerpapa dort zum Staatsopern-Spitzenkritiker aufgestiegen ist.
Besagter „copy“ hat übrigens früher auch mal für den „Online Merker“ geschrieben, bevor ihm aufgefallen ist, was er immer hätte wissen müssen: Dass nämlich seine politische Welteinstellung mit jener des Chefredakteurs nicht zusammen gehen kann. Seither begnügt er sich mit Giftnickelein im Forum. Er soll nur aufpassen, dass seine Couleur dem Schwiegerpapa nicht schadet: Denn das „Volksblatt“ ist noch immer türkis / tiefschwarz, und in Österreich ist doch alles Parteipolitik, wie wir leidvoll wissen.
Als ich nun im Volksblatt las, wie Herr Rickl sich endlos über „Manon Lescaut“ und „Die tote Stadt“ ausließ, fragte ich die Kulturredakteurin, was das eigentlich bedeuten sollte. Sie antwortete mir in ihrer warmen, herzlichen Art lapidar, ich bekäme ja keine Karten mehr, also nähme Herr Rickl die Staatsopern-Pressekarten wahr, ich könnte es ja wieder tun, wenn ich wieder welche bekomme. Aha – und dann tretet ihr ihn in den Arsch, wie ihr es mit mir gemacht habt?
Auch egal.
Ich habe ohne Unterbrechung für das „Volksblatt“ geschrieben, seit ich 20 Jahre jung war, habe jede Veränderung des Namens, des Formats, habe alle Chefredakteure und Kulturredakteure miterlebt (wobei sich leider nie etwas zum Besseren verändert hat), aber nun ist es genug. Nun, wo man mich so freundschaftlich und loyal behandelt, so für mich eingetreten ist, wo man mich so schnell und würdig ersetzt hat… jetzt reicht’s.
Auch egal übrigens.
Ich frage mich nur, was das allgemeine Gewäsch vom neuerdings geradezu politisch verlangten, „wertschätzenden“ Umgang miteinander, zumal mit Mitarbeitern, bedeuten soll. Von Respekt ist da die Rede und gar von Anstand!!! Ich fürchte nur, dass es Operndirektionen und Zeitungsredaktionen gibt, wohin die neuen Umgangsformen noch nicht vorgedrungen sind.
Auch egal?
Renate Wagner