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APROPOS: Zweierlei Maß

15.06.2019 | Apropos, Feuilleton

Zweierlei Maß

Johannes Bruckenberger (APA),
Florian Klenk (Falter),
Rudolf Mitlöhner (Die Furche),
Hubert Patterer (Kleine Zeitung),
Christoph Dichand, Klaus Herrmann (Kronenzeitung),
Martina Salomon (Kurier),
Kathrin Gulnerits (News),
Walter Fahrnberger und Daniel Lohninger (Niederösterreichische Nachrichten),
Gerald Mandlbauer (Oberösterreichische Nachrichten),
Rainer Nowak (Die Presse),
Christian Rainer (profil),
Manfred Perterer (Salzburger Nachrichten),
Alois Vahrner und Mario Zenhäusern (Tiroler Tageszeitung),
Martin Kotynek (Der Standard),
Andreas Weber (Trend),
Christian Haubner (Oberösterreichisches Volksblatt),
Gerold Riedmann (Vorarlberger Nachrichten),
Walter Hämmerle (Wiener Zeitung)

Das ist eine Liste! Wusch! Die österreichischen Chefredakteure. Creme de la Creme. Vor allem, da Herr Fellner fehlt, den sie alle nicht so gern in ihren edlen Reihen wüssten. Also: die Herrn Chefredakteure halten es für nötig, nach Ibiza „eine gemeinsame Erklärung zur Bedeutung der Unabhängigkeit der Medien als vierte Macht der Demokratie“ abzugeben, also im Grunde eine Selbstverständlichkeit.

Jetzt kann man noch einmal den Strache abwatschen (nicht, dass er es nicht verdiente), weil offenbar die „Suche nach den Urhebern, so wichtig sie ist, die demokratiegefährdenden Aussagen, die das Video dokumentiert“ überdeckt. Sprich: Wer das hier in Auftrag gegeben und so perfekt platziert hat, ist zweitrangig. Denn offenbar steht für die unabhängigen Medien fest, dass es gerechtfertigt ist, einen unliebsamen Politiker mit welchen Mitteln auch immer abzuschießen. Dafür sind die Medien da? Ganz gerecht, hüben wie drüben? Und die Recherche? Das „kriminalistische“ Fragen, was warum geschieht? Keine Aufgabe der freien Presse?

Wenn unter den Unterzeichnern Christoph Dichand aufscheint, der sich natürlich besonders aufregen kann – statt geschmeichelt zu sein, dass sein Medium als „Königsmacher“ gilt -, dann hat er wohl nicht vergessen, wie unvorstellbar mächtig sein Vater einst war? Dass der damalige Kanzler, der um die EU-Zustimmung der Bürger bangen musste, zur „Krone“ kam… und dass die Abstimmung wie gewünscht ausging. Ganz nebenbei fiel für Dichand eine Kleinigkeit unter den Tisch: Wäre doch lästig und gewinnmindernd gewesen, hätte man die nächtlichen Zeitungsverkäufer wirklich per Werkvertrag anstellen müssen? Aber davon war dann nicht mehr die Rede…

Wann hätte es das nicht gegeben, dass Politiker den Telefonhörer gehoben haben, um einen Chefredakteur anzurufen? Zuletzt vielleicht – es ist gänzlich unwichtig, und wohl typisch – die Sozialisten, als sie meinten, Frau Rendi-Wagner käme auf den Fotos im „Kurier“ nicht gut genug heraus. Man unterstellt also „Meuchelfotos“ als böse Absicht. Glaubt wirklich jemand, man könnte Frau Rendi-Wagner nicht wählen wollen, „weil die zu schiach ist“? Wo sie doch nicht zuletzt angetreten ist, dem Kurz mit ihrem guten Aussehen in der Medienwelt Paroli zu bieten? (Weil viele ohnedies meinen, Kurz habe nichts zu bieten, als jung und hübsch zu sein?)

Das ist ein realer Fall, ebenso jener, dass die Frau Bundeskanzlerin eine „Message Control“ angeregt hat, sprich: dass ihre Regierungsmitglieder bei Medienarbeit „grundsätzlich Zurückhaltung üben“ und direkten Kontakt mit Journalisten vermeiden sollen. Jeder weiß genau, wie das gemeint ist und worauf es abzielte – das ewige Mauscheln, das ewige Flüstern von Klatsch und scheinbaren „Hintergrundinformationen“, das schmutzige „eine Hand wäscht die andere“, wie es zweifellos üblich ist. Was schreien die bei den unabhängigen Herrn Chefredakteuren angestellten Journalisten? Zensur! Journalisten dürfen „im Sinne des für den demokratischen Diskurs notwendigen offenen Informationsflusses“ nicht davon abgehalten werden, Kontakt zu Regierungsmitgliedern aufzunehmen und ungehindert ihre Recherchen anzustellen, erklärt der Presseclub Concordia. Eh klar. Zu Deutsch: Lasst uns mauscheln wie eh und je. (Und die Bundeskanzlerin hat prompt zum Rückzug geblasen!!! Da sage einer, die Medien wären nicht mächtig.)

Ja, und es gibt auch schlimmere Fälle, wo die Zeitungen letztendlich doch zeigen, dass sie mit zweierlei Maß messen. Denn die „Silberstein-Affäre“ hätte einem Politiker so stante pede den Hals brechen müssen wie Ibiza – aber Kern ging später und ganz gemütlich, weil er das Desaster seiner Partei nicht aufräumen wollte. Und wer hat sich schon wirklich aufgeregt, dass die Sozialisten einen Fachmann für „Dirty Campaigning“ engagiert haben? Beim KGB gab es einst eine Riesenabteilung für Desinformation, die nur dazu da war, falsche Meldungen zu verbreiten, Menschen zu diskreditieren und in Krisenherden zu stacheln. (Es gibt kein KGB mehr, also ist auch eine so unrühmliche Organisation selbstverständlich nicht mehr existent.)

Ähnliches geht heute mit Hilfe der sozialen Medien ganz leicht. Falsche Accounts und Aussagen, großes Entdecken, Empörung, Kurz ist eigentlich Antisemit! Und das ist in der heutigen Gesellschaft wirklich ein No Go: Da geht selbst die „New York Times“ in die Knie, weil eine ihrer Karikaturen Netanyahu als Blindenhund mit Davidstern am Halsband gezeigt hat, der den blinden Trump führt, der eine Kippa trägt. Das tat weh, der Shitstorm hatte es in sich, die „New York Times“ entschuldigte sich nicht nur, sie wird künftig gar keine Karikaturen mehr bringen…

Nun, Kurz konnte die Idee, er sei antisemitisch, ausräumen – wer weiß, was Silberstein noch eingefallen wäre? Passiert ist übrigens weiter nichts. Willy Brandt trat einst wegen Günter Guillaume zurück, obwohl er sicher keine Ahnung hatte, dass dieser DDR-Spion war… aber das waren andere Zeiten. Heute zieht man sich schmollend aus der Politik zurück und köpfelt ins lukrative Wirtschaftsleben. (Wie andere sozialistische Bundeskanzler vor ihm – und nichtsozialistische wohl auch.)

Von wegen Verantwortung, Bedauern… nix. Aber die Medien haben wirklich nicht sonderlich zugebissen, nein, Ihr Herren Chefredakteure? Haben Sie eigentlich, wie es Ihre Pflicht „als Macht der Demokratie“ wäre, darauf bestanden, dass der Versuch, durch Verleumdung eine Wahl zu manipulieren, kriminell ist – und die Verantwortlichen ausgeforscht und dafür zur Rechenschaft gezogen?

Renate Wagner

 

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