Wenn ich einen Krimi schreiben wollte…
Wenn ich einen Krimi schreiben wollte… Das kann ich natürlich nicht. aber „gemecht hab’ ich schon einmal“, wie es auf Jiddisch so schön heißt. Also, wenn ich es wirklich wollte, würde ich als negativen, aber faszinierenden Helden einen echt fiesen Söldnerführer wählen. Skrupellos, aber eine Persönlichkeit, dem seine Männer folgen und vor dem auch die Mächtigen ein bisschen Angst haben, was er genießt.
Mein Söldnerführer, nennen wir ihn verkürzt „P 2“, kennt das grausame Spiel der Macht auswendig, weiß also, dass er niemandem vertrauen kann, weil ja auch niemand ihm vertrauen kann. Das zeigt er, als der Übermut und Machtrausch ihn kitzeln und er sich gegen das Alphatier im Staat, nennen wir ihn „P 1“ wendet und tatsächlich einen Putsch plant. Das wäre, zumal die Nation ja Krieg nach außen führt, verheerend. „P 1“ schaltet einen Vermittler ein, und „P 2“ wird klar, dass er vermutlich einen Großteil seiner Männer (und vielleicht das eigene Leben) verliert, wenn er den Kreml stürmen will.
Das Angebot, sich scheinbar bedingungslos und straflos ins Nachbarland zurück zu ziehen, ist mehr als großzügig. Aber „P 2“ ist natürlich nicht naiv, er kann nicht glauben, dass „P 1“ nicht unter Zugzwang steht, diesen „Verrat“ irgendeinmal entsprechend zu rächen. Wenn „P 2“ gescheit ist, und in meinem Kriminalroman ist er so gescheit wie skrupellos, weiß er genau, dass es für ihn keine Sicherheit mehr gibt. Bis er tot ist.
Außer er ist tot. Und da nimmt mein Krimi eine neue Wendung. „P 2“ muss seinen eigenen Tod inszenieren. Wie er das macht – mein Gott, das soll sich Frederick Forsyth ausdenken, der kann so was. Es muss mit ein paar Tricks möglich sein, in letzter Minute nicht das Flugzeug zu besteigen, in dem seine wenigen, verschworenen und hoffentlich endlos loyalen Freunde eine Bombe angebracht haben. In letzter Minute sagen „Ich hab noch was zu erledigen, fliegt vor, ich komme dann nach“ – und wissen, dass man seine wichtigsten Mitarbeiter und drei unschuldige Menschen der Besatzung in den Tod schickt. Ich glaube nicht, dass „P 2“ angesichts des Blutes, das er schon an den Händen hat, sich darüber sonderlich den Kopf zerbricht. Und auch nicht, was mit seiner Söldnerarmee passiert. Es geht ihm nur ums eigene Überleben.
Und dann? Wie gesagt, Forsyth wüsste genau zu schildern – in einen Jeep, zu einem geheimen Landeplatz, zu einem Flugzeug, in dem ein Meisterpilot sitzt (in Krimis gibt es die), der für eine Million Dollar (ein Klacks für „P 2“ angesichts seiner finanziellen Reserven in aller Welt) bereit ist, straks immer in den Süden zu fliegen, unter allen Radaren hinweg, bis er in den Emiraten landet.
Und dort liegt „P 2“ ganz schnell am Operationstisch eines Meisterchirurgen, der ihm ein ganz neues Gesicht verpasst. Dann versteckt er sich eine Zeitlang im Luxusappartement (muss nur schauen, dass er nicht vielleicht Ex-König Juan Carlos begegnet) – und irgendwann sieht er mit neuem Gesicht, mit Bart, mit verspiegelter Brille aus wie irgendein bulliger reicher Schnösel.
Welche Papiere er sich hat besorgen lassen, müsste ich mir für meinen Krimi noch ausdenken. Ich meine allerdings, dass er sich nicht in Richtung Bangkok, Manila oder Singapur in Bewegung setzt, denn dort ist das Klima zu heiß, zumal für einen Russen. Südamerika war schon immer die ideale Anlaufstelle, Buenos Aires ist eine wunderbare Stadt, in der man gut leben kann – die alten Nazis haben es bewiesen. (Dass Adolf Eichmann dort gefasst wurde, hatte nur mit der totalen Besessenheit des Simon Wiesenthal zu tun.) Eine schöne Hazienda am Stadtrand – dann hätte der Hobbykoch gleich seine eigenen Rinder als Rohstoff … Rio de Janeiro geht natürlich auch, ebenfalls eine wunderbare Stadt, und mit viel Geld lebt es sich überall leicht. Ich würde meinen „P 2“ allerdings 50 Kilometer weiter in die Berge nach Petropolis schicken, ein herrliches Klima, dort hatte Kaiserin Leopoldine (unsere Habsburgerin) ihren Sommersitz und Stefan Zweig eine Villa, was ihn allerdings nicht hinderte, sich umzubringen. Diese Villa wäre für „P 2“ natürlich zu klein, aber es gibt da sicher auch Anwesen nach seinem Geschmack.
Welchen Paß er sich gekauft hat (oder mehrere), wie seine treuen Freunde sein Geld zu ihm umleiten, wie er als Russe (er müsste für Brasilien ja doch Portugiesisch, für Argentinien Spanisch lernen) in der fremden Welt lebt, müsste ich mir für meinen Krimi natürlich ausdenken, aber in der Welt der Superreichen ist nichts schwer…
Und sollte man jetzt vielleicht einen parallelen Handlungsstrang einführen? Einen jungen, blitzgescheiten, „P 1“ total ergebenen Offizier in Moskau, dem es unheimlich vorkommt, dass aus dem abgestürzten Wrack einfach nicht zu belegen ist, dass „P 2“ auch wirklich drin war? Der nun die Recherchen aufnimmt und sich Schritt für Schritt vorarbeitet…
Ich glaube, für mich wird das zu kompliziert. Ich schenke die Idee gerne Mr. Frederick Forsyth, der so etwas meisterlich kann und dessen Bücher mich so oft wunderbar unterhalten haben. Oder auch Verschwörungstheoretikern – denn angesichts dessen, dass man nie völlig Sicherheit darüber erhalten wird, was geschehen ist (dafür sorgt schon der Kreml), wäre das immerhin eine Möglichkeit unter vielen…
Schade, dass ich keine Krimis schreiben kann.
Renate Wagner