Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

APROPOS Verdammt noch mal!!!!

01.11.2020 | Apropos, Feuilleton

Verdammt noch mal!!!!

Verdammt noch mal!!!! Jetzt dürfen wir einen Monat lang nicht in die Oper, in Theater, ins Kino und in Museen gehen, weil die Regierung sich gegen die Nachtschwärmer nicht anders zu helfen weiß, als dass man eine nächtliche Ausgangsbeschränkung von 20 Uhr bis 6 Uhr verhängt.

Gut, es ist ja einzusehen, wenn man daran denkt, wozu Menschen fähig sind, um sich ihre „Party“ im weitesten Sinn nicht nehmen zu lassen – man erinnere sich mit Grimm an jene Salzburger Herrschaften, die sich in Taxis zwängten und nach Schladming fahren ließen, weil sie dort bis 1 Uhr statt nur bis 22 Uhr „feiern“ konnten. Und sie haben das sicher im stolzen Bewusstsein getan, „dass sie sich nichts vorschreiben lassen“.

Das Opfer ist die Kultur, denn natürlich würde  jeder, der nächtlich ins Wirtshaus (oder nach der Sperrstunde wieder heraus) schleicht, einem Polizisten, der nachfragt, dann sagen: Ich war im Theater! Wobei sie ja auch sagen könnten: „Es war eine Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens“, obwohl dann beim Billa keine Milch mehr verkauft wird. (Und Wirtshäuser und Bars ohnedies nicht offen sind…)

Aber da hat die Regierung schon ein bißl einen Bock geschossen, vielleicht waren sie beim Verhandeln irgendwann schon total verwirrt.
Die Regeln für das Verlassen des Hauses in der Nacht (!) sind nämlich die bekannten fünf (ich schreibe das mal aus oft.at ab):

Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum;
Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten;
Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens;
berufliche Zwecke, sofern das erforderlich ist;
Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung, dazu zählt etwa Spaziergänge mit oder ohne Hund oder Joggen.

Also, davon funktioniert in der Nacht der Beruf ja nur in Ausnahmefällen, und ich werde nachts nicht joggen und nur mit dem Hund gehen, wenn er unbedingt will.

Unter Tags kann ich ja wohl ausgehen, denn der Handel hat Gott sei Dank offen – das bedeutet, die Mariahilferstaße wartet ja geradezu darauf, dass ich komme und mich nach einem chicen Winterpulli umsehe. Und der Friseur wartet auch. Schade, dass das Kaffeehaus nicht wartet, aber auf die Gastronomie-Frage will ich mich nicht einlassen, das wäre vermutlich zu kuddelmuddelig.

Wohl aber auf die Kultur.

Ich war in allen Häusern, Oper, Volksoper, Theater an der Wien, Burgtheater, Josefstadt. Überall nehmen sie die Vorschriften wirklich ernst, man hält Abstand, überall sind Desinfektionsmittel, und ich habe das Publikum nie anders als hoch diszipliniert erlebt, selbst zuletzt, als man auch während der Vorstellung die Maske aufbehalten musste.

Warum muss alles aus sein – nur wegen der Nachtschwärmer, verdammt noch mal?

WARUM SPIELEN WIR NICHT AM NACHMITTAG?

Sogar die Oper hat zu Meyers Zeiten an Sonntagen gelegentlich Nachmittagsvorstellungen um 16 Uhr gebracht (das war damals, glaube ich, vor allem für die Busse aus den Bundesländern). Die Josefstadt ist einen Wochenende-Nachmittags-Betrieb ohnedies gewohnt. Warum können nicht alle Theater zumindest Freitag, Samstag, Sonntag am Nachmittag spielen, sagen wir 15 Uhr, damit das Publikum bei der Heimfahrt nicht in die Bredouille kommt? Und die Kinos könnten zumindest eine 16 Uhr-Schiene bespielen? An die „luftigen“ Sitzordnungen hat man sich ja schon gewöhnt.

Viele Menschen, die wieder ins Home-Office getrieben sind, wissen dann auch, dass sie flexibel sind – wenn sie Freitag Nachmittag ins Theater gehen, machen sie die Arbeit halt am Samstagvormittag, ist ja auch kein Unglück.

Und was die Museen betrifft, lieber Herr Minister Kogler, auch wenn es Sie so gar nicht interessiert – es gibt Menschen, die möchten doch die „Azteken“ im Weltmuseum sehen oder die Albertina Modern oder die Super Achtziger-Jahre-Schau, die Schröder in der Albertina zu bieten hat! Allzu voll können die Häuser ohnedies nicht sein, und in Räumen, in denen man frei gewählt herumgeht, ist Abstand zu halten kein Problem. Und, wie gesagt, im Vergleich zu früher (ich erinnere mich an wahre Warteschlangen an der Albertina-Kassa!), kann es ja gar nicht „voll“ sein, weil es keine Touristen gibt – für die gibt es ja nicht einmal ein Hotel, in das sie einziehen könnten. Auch dieses Problem ist auf die Schnelle nicht zu lösen.

Aber die Theater müssten nicht ganz schließen. Und die Museen gar nicht. Verdammt noch mal, es gibt doch Lösungen! Muss die Kultur definitiv weggesperrt werden, nur damit man die anderen von ihren Parties abhalten kann?

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken