Undank ist der Welten Lohn
Vielleicht ist der Fall Reichenau nicht so vieler Worte wert. Das Ehepaar Loidolt jedenfalls wäre froh, sich nicht mehr in den Medien zu finden. Aber irgendwie berührt mich das Ganze persönlich, denn es ist ein Stück meiner privaten Theater-Geschichte. Ich war als Kritiker vom ersten Jahr an in Reichenau dabei, mit Ausnahme einmal einer Pause von ein paar Jahren, wo auch ich mit den Loidolts zerkracht war – wer nicht schließlich? Aber sonst zog es mich Sommer für Sommer zu dem „Wiener Großbürger-Ausweich-Festival“ auf den Semmering.
Und da haben die Loidolts mit ihren vier bis fünf Stücken immer eine hohe Anzahl von Schauspielern beschäftigt, in über 30 Jahren sogar Generationen-übergreifend: Da spielten auch schon die Töchter von Regina Fritsch, Gabriele Schuchter oder Julia Stemberger, und die Mütter blieben auch lange Stars im Ensemble.
Kurz, ohne die Loidolts je für Wohltäter zu halten, haben sie doch nachweislich für viele Leute Arbeit generiert. Sicher nach eigener Lust und Laune – kein Regisseur konnte den geringsten Besetzungswunsch vorbringen, die Intendanten besetzten selbst (wobei wichtigen Akteuren auch erlaubt wurde, ihre Gefährtinnen mitzubringen, für die sich dann auch Rollen fanden).
Was ist nun geschehen? Das Ganze ist, mit dem drohenden Rechnungshof im Rücken, eine „ungute G’schicht’“, und man sollte den Loidolts zugestehen, sich „aus Altersgründen“ einigermaßen würdevoll zurück zu ziehen, bevor man sie am Ende wegen undurchsichtiger Finanztransaktionen mit Schimpf und Schande entlassen hätte. (Dabei sind familiäre Verflechtungen, die mit Geld und Vergünstigungen zusammen hängen, in Wien nicht gang und gebe? Man sehe nur auf den jüngsten Fall Helmut Brandstätter / Patricia Pawlicki, und auch Herr Doskozil hätte seiner Freundin einen Job in der Landesregierung zugeschoben, hätte man ihn nicht rechtzeitig eines Besseren belehrt. Und wer hat die Wiener Stadtzeitung in der Ära Michael Häupl gemacht? Richtig!)
Aber Ruhe wird nicht so schnell einkehren um das nun verlassene Kurtheater von Reichenau, in dem „Festspiele“ stattgefunden haben. Denn nun haben 38 Schauspieler, die heuer um ihren Job gekommen sind, aufgehetzt von Nicolas Hagg, die Festspiele bzw. die Loidolts geklagt. Sie alle, die sich vermutlich nur lange Jahre in Reichenau halten konnten, weil sie dem Intendantenpaar nach Kräften geschmeichelt haben, fallen ihnen nun in den Rücken. Das sprichwörtliche Wienerische „Hackl ins Kreuz“, sobald man sich umdreht – und machtlos ist. Voran Herr Hagg, der den Loidolts wirklich viel verdankt.
Er wird das nicht so sehen, wird meinen, er habe für sein Geld ja Arbeit geleistet – aber er durfte arbeiten! Denn wenn sich die Loidolts nicht für ihn entschieden hätten, wären da Dutzende Autoren parat gestanden, um irgendwelche Romane genau so gut für die Bühne zu bearbeiten wie er.
Und, es schmerzt mich, es zu sagen – was denkt sich Hermann Beil? Gewiß, er ist ein guter Regisseur, seine drei Schnitzler-Abende waren erste Sahne, um es unwienerisch auszudrücken, aber ehrlich: Wer sonst hat ihn schon inszenieren lassen? Sollte man sich da nicht zu gut sein, sich einer klagenden Masse anzuschließen? Es geht mir jetzt nicht um die Finanzen der Loidolts, von denen weiß ich nichts, sie sind mir auch egal.
Es geht mir um Anstand, und den suche ich hier vergeblich. Wie schnell doch alle schlechten Eigenschaften hoch gespült werden…
Dafür ist mir neulich beim Plaudern mit meinem Freund Bernhard, der bei unseren Reichenau-Ausflügen immer dabei war, etwas eingefallen. Es wäre doch höhere Gerechtigkeit, wenn Robert Meyer, der ja aus der Volksoper „nach langen treuen Diensten“ recht schmafu entfernt worden ist, jetzt Intendant in Reichenau würde? Ein Theater führen kann er, er kennt sich in der Region aus, weiß auch, was dort nötig ist. Sicher nicht das „politisch relevante“ Theater, das irgendwelche Verblendete fordern werden. Sondern ein Theater der Schauspieler und der Publikumslieblinge, die auf höchsten Niveau agieren. Und da hätte er mit sich selbst schon den besten Protagonisten. Er könnte sogar schon im Sommer 22 antreten, denn nächste Spielzeit muss er ja in der Volksoper nur noch spielen… für den Rest sorgen die Nachfolger.
Das Rad dreht sich. Man kann nur hoffen, dass Niederösterreich nicht so verheerende Überraschungen im Köcher hat, wie sie Wien im Volkstheater und an der Volksoper bereitet wurden.
Renate Wagner