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APROPOS: Und auch noch die falsche Couleur…

02.06.2023 | Apropos, Feuilleton

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Und auch noch die falsche Couleur…

Den Fall Maria Happel kann man in viele Richtungen weiter denken. Vorausgesetzt: Sie ist seit Jahrzehnten  Burgschauspielerin. Sie leitet mit dem Reinhardt-Seminar eine der prestigeträchtigsten Ausbildungsstätten im deutschsprachigen Raum. Und sie hat die hochprozentigen Festspiele Reichenau für sich an Land gezogen.

Wer drei so prestigeträchtige und vermutlich (gilt da die Unschuldsvermutung?) hoch dotierte Jobs in sich vereinigt, der braucht sich um den Neid nicht zu sorgen.
Und der hat nun auch voll zugeschlagen,

Die „bösen Alten“  Ob es sich in der „Causa Reinhardt-Seminar contra Happel“ um berechtige Nöte der Studierenden handelt oder ob jemand diese vielleicht berechtigten, sicherlich auch aufgebauschten Nöte für sich instrumentalisiert hat, um eine gewaltige Intrige loszutreten – das wissen wohl nur die engsten Beteiligten.

Aber was für Nöte sind das? Die bösen Alten, die auch einmal jung waren, werden sich alle daran erinnern, wie sie von Chefs, Vorgesetzten und Leuten, die die Macht dazu hatten, heruntergemacht und beleidigt wurden, bestenfalls noch vor anderen, denn unter vier Augen wäre es für die Täter weniger genussreich gewesen. Man hat versucht, die Tränen zu unterdrücken, innerlich wütend Rache geschworen – und die Sache auf sich beruhen lassen. Abgehakt in der Schublade Lebenserfahrung. Weil man früher nicht so wehleidig war.

Aber heute ist es unendlich wohlfeil, bei jeder Gelegenheit (und sei sie noch so gering) „Ich bin ein Opfer!“ zu rufen, und eine total woke Gesellschaft ist sofort bereit, Schuldzuweisungen ohne Nachfrage zu verteilen und sich selbst damit davor zu schützen, womöglich ein Opfer zu werden, weil man nicht das heute „Richtige“ getan hat. Wie viel Unrecht da schon geschehen ist, wie viele Leben zerstört wurden, soll gar nicht nachgerechnet werden.

Was mich nicht umbringt, macht mich stärker, mag heute zu preußisch klingen, aber ein bisschen Souveränität gegenüber den Puffern des Lebens sollte man sich jedenfalls zulegen. Aber offenbar hat Maria Happel gelegentlich ihren Nerven nachgegeben und keinen zuckersüßen Ton angeschlagen. Ja, damit kann man heute schon jemanden abschießen…

Nein, wir leben in besseren Zeiten als einst, wir lassen den Alten nichts mehr durchgehen! Und wenn wir dann keine Karriere machen, sind auch die anderen schuld, weil wir so großartig tapfer waren und uns empört haben und deshalb nicht genommen werden! Es sind doch immer die anderen schuld!!! Die Welt hat sich in eine Gefühls-Suppe hinein gestürzt, die einem nur hochkommen kann.

Das Reinhardt-Seminar   Wer weiß, wer da dahinter steckt, die Happel nicht mehr am Reinhardt-Seminar haben zu wollen? Böse von ihr, nicht wieder in Reichenau ein Stück anzusetzen, wo sie möglichst viele Schüler beschäftigen kann, nicht wahr? (Egal, ob  die Aufführung von „Frühlings Erwachen“ im Vorjahr mit Karacho durchgefallen ist – wegen unzulänglicher Leistungen.) Oder sind jene böse, die nicht drangekommen sind? Gibt es vielleicht Lieblinge oder nicht? Gab es die nicht immer? Die Vorliebe von Susi Nicoletti für hübsche junge Schauspieler war bekannt – das mussten die weniger gut aussehenden wissen. Wenn sie souverän damit umgingen (wie in den Memoiren von Manfred Schmid nachzulesen), war es eigentlich kein Problem. Wie viel Persönliches steckt hinter der Anti-Happel-Attacke, das sich sehr mühselig mit Grundsätzlichem bemäntelt?

Das Burgtheater   Das Burgtheater hat nicht viel Rücksicht darauf genommen, dass Frau Happel auch anderes zu tun hat, sie wurde oft und in großen Rollen eingesetzt. Das soll sich nun ändern. Allerdings zeigt das Vorschauheft für die Saison 23/24, dass zumindest drei Stücke, in denen sie Hauptrollen spielt, weiter im Repertoire sind, „Der Sturm“, „Die Jagdgesellschaft“ und die „Gefesselte Phantasie“. Dennoch ist es ein Unterschied, ob man ein paar Dutzend Abendvorstellungen spielt oder ob man in Neuproduktionen (mit ihren ausführlichen Proben) eingesetzt ist. Kann ein Mitglied des Hauses mit einem Ensemble-Vertrag  überhaupt Bedingungen stellen, dass man nicht spielen will? Ob man Frau Happel dann die Gage kürzt? Vermutlich ist das alles dann ein Fall für die Juristen.

Der Nepotismus   Als Maria Happel in die Offensive ging und im APA Interview keinesfalls Reue, sondern (wohl überlegte und doch in unserem knieweichen Zeitalter bewundernswerte) Kampfbereitschaft zeigte, war man in der Fragestellung auch sehr freundlich mit ihr. Erst das „Profil“ sprach die Frage des Nepotismus an. Der Gatte Dirk Nocker auch mit einem Lehrauftrag im Reinhardt-Seminar versorgt, die Tochter in der Regie der Mutter schon mehrfach in Reichenau zu sehen. Dass das kein gutes Bild abgibt, ist Maria Happel offensichtlich egal. Sie findet nichts dabei, argumentiert sie die berechtigten Fragen weg – vermutlich macht sie sich wenig daraus, was die Leute denken. Sie schimpfen ohnedies, also können sie auch Grund dafür haben. Immerhin – Paula Nocker ist im Ensemble des Theaters in der Josefstadt. Schon im ersten Reichenau-Jahr von Maria Happel wurde Sandra Cervik, Gattin des Josefstadt-Direktors, mit einer Hauptrolle bedacht, für die es viele andere, gleichwertige, Reichenau-traditionsnahe  Besetzungsmöglichkeiten (Stemberger, Fritsch) gegeben hätte. Wem das nach Gegengeschäft riecht – ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt. Auch heuer sind in Reichenau  die Tochter (als Christopherl in Nestroys „Jux“) und der Gatte (als Orgon in „Tartuffe“) überaus prominent besetzt.

Maria Happel selbst wird einige Gespräche mit berühmten Kolleginnen führen: (Caroline Peters, Emmy Werner, Brigitte Kren, Stefanie Reinsperger, Sona MacDonald). Dazu kommt ein Programm mit Joachim Meyerhoff und „Hermann und Dorothea“ mit Happel und Martin Schwab. Sie hat also sich selbst beileibe nicht vergessen. Aber welcher spielende Theaterdirektor, von Schenk bis Lohner, Meyer bis Föttinger, hätte das je getan?

Dennoch, die Nepotismus-Seite des Ganzen wirkt ein wenig klebrig. Sind Jobs wirklich nur dazu da, um als persönlicher Selbstbedienungsladen zu fungieren?

Und auch noch die falsche Couleur…  Was aber geradezu  peinlich angstvoll niemand ausspricht und was Maria Happel sowohl die Chancen auf das Volkstheater wie das Burgtheater gekostet hat (wie heißt es bei Nestroy? „Ich qualifizier mich für alles!“), ist natürlich die falsche Parteifarbe. Wer von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner auf den Reichenau-Thron gehievt wurde, hat im Roten Wien keine Chancen, dafür sorgen schon die Damen Kaup-Hasler und Andrea Mayer. Wenn man nun von Heinz Sichrovsky erfährt, dass unter den Namen, die um die Josefstadt-Nachfolge von Föttinger hecheln, auch jener von Maria Happel jongliert… allzu viele Chancen würde ich mir (mit Thomas Drozda als Stiftungsrats- und Aufsichtsratsvorsitzenden) nicht ausrechnen. Denn in Wien (und nicht nur hier, aber besonders hier) ist auch alles Politik… Und wer im Roten Wien nicht die rote Gesinnung vor sich herträgt, hat keine Chance. Aber das muss man wissen.

Renate Wagner

 

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