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APROPOS: Un giorno di regno

07.06.2023 | Apropos, Feuilleton

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Un giorno di regno –
eine komische Oper?

Pamela Rendi-Wagner, wer war das nur? Hans Peter Doskozil, wer war der? 
Gestern noch auf stolzen Rossen,.
Heute durch die Brust geschossen,.
Morgen in das kühle Grab.

Dabei haben sie jahrelang die Schlagzeilen beherrscht. Seit sechs Jahren hat Dosko alles, aber wirklich alles getan, um Pam das Leben schwer zu machen, sie zu diskreditieren und von ihrem Thron zu stoßen. Und siehe da, endlich ist es ihm gelungen! Aber, wie sich heraus stellte, nicht für sich, sondern für einen anderen…

Das ist eine Posse und eine Tragödie zugleich.

Da gab es für Dosko nicht den geringsten Grund zu bezweifeln, dass er zum neuen SPÖ-Chef gewählt worden war. Tausendprozentige Aufmerksamkeit, und bei künstlicher Bescheidenheit schon viele Ankündigungen, was man alles (besser) machen werde. Und die anderen Partien – ja, die sollen sich warm anziehen. Hier kommt die Dosko-SPÖ!

Und dann, man stelle sich das in voller Farbigkeit vor: Dann will der neue König in seinen Palast (noch das SPÖ-Gebäude in der Löwelstraße) einziehen – und wird mit der Nachricht empfangen, dass er doch nicht der gewählte Mann ist. Man hat sich beim Zählen geirrt (wohlgemerkt, es ging nicht um Hunderttausende, nicht um Tausende, sondern nur um etwas  weniger als sechshundert Stimmen.) Sieger ist jetzt doch der andere…

„Un giorno di regno“ heißt eine Oper von Giuseppe Verdi, und es ist eine komische Oper. König für einen Tag. Man muss sich dieses rasend schnelle Gefühlsbad zwischen Gipfel und Abgrund wirklich vorstellen. Nun, es kommt in der Literatur immer wieder vor – der Kesselflicker Sly erlebt es bei Shakespeare, Prinz Sigismund aus dem Turm bei Calderon. Und dann – aus der Traum. Denn im Theater wird das Psychoexperiment immer als Traum ausgegeben. Wie man Aufstieg und Fall innerhalb eines Tages im wirklichen Leben „erlebt“ – das könnte uns nur Dosko erzählen.

Dabei ist er ja nicht wirklich auf harten Beton gefallen und zerschmettert. Der Mann kann ins Burgenland heimkehren, wo alle ihn lieb haben und sicher weiter lieb haben werden: Schön, dass Du wieder da bist! Als Roland Geyer von den Bregenzer Festspielen hinaus geworfen wurde, bevor er sein Amt noch angetreten hatte, konnte er Intendant im Theater an der Wien bleiben, und die Presse tat ihm den Gefallen, den Bauchfleck am Bodensee gar nicht weiter zu thematisieren. Und als am anderen See, dem Neusiedlersee, Gerald Pichowetz entfernt wurde, bevor er sich in Mörbisch ausbreiten konnte, gab es da immer noch sein gut gehendes Gloria Theater in Floridsdorf, mit dem er vermutlich bis zu seinem Lebensende Fans beglücken kann. Es ist gut, wenn man eine Hausmacht hat, auf die man sich zurückziehen kann. Und die anderen knurrig wissen lassen: Macht Euch Euren Dreck alleine (wie es der letzte abgesetzte sächsische König formuliert haben soll) …

Also, keine Sorge um Dosko, er wird seine Wunden lecken. Und künftig vielleicht nicht mehr so vollmundig sein. Babler wäre auch nicht so leicht abzusägen wie Pamela, um die man sich keine Sorgen machen muss. Ihr ewiger Fan, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, hat sicher einen Superjob für sie.

Apropos Michael Ludwig – wenn er und Dosko letztendlich auf einander los gegangen wären, das hätte einem Elefanten-Bullenkampf geglichen (schade für die Presse, die hätte sich lustschreiend die Finger wund schreiben können). Dem Andreas Babler hat Michael Ludwig gleich vorsorglich gratuliert – vielleicht „kann“ er mit dem eher. Vielleicht versucht dieser nicht gleich, ihn als mächtigsten SPÖ-Landeschef zu beschädigen, was Dosko (man kannte ihn ja inzwischen) mit Sicherheit getan hätte.

Stellen wir uns aber bitte nicht nur die Hauptdarsteller vor! Welches Wechselbad von Jubel und Verzweiflung für die Mitglieder beider Lager? Jene von Dosko, die schon alle Jobs unter sich verteilt hatten, während die von Babler wütend und missmutig beiseite standen und sich fragten, in welcher letzten Ecke sie ihr Leben fristen müssen.

Die sind jetzt alle dran, und die anderen, die das Fell des Bären verteilt haben, stehen auf einmal mit leeren Händen da. Wie viele Nervenzusammenbrüche und Verzweiflungsausbrüche hier und dort, vorher und nachher?  Wie viel Angst vor Köpferollen und Weggestoßenwerden vom Futtertrog, weil man offenbar auf den falschen Mann gesetzt hat? Und wie viele sind schon vorgeprescht, Andreas Babler zu versichern: „Ich hätte ja zum Wohl der SPÖ mit Doskozil mitgemacht, aber eigentlich sind Sie der Mann meines roten Herzens!“

Eine Posse. Eine Tragödie?

Sicher beides. Ob Pam, ob Dosko insgeheim froh sind, dass sie den Schrott und Müll nicht aufräumen müssen, der zuletzt in der SPÖ angefallen ist? Ob sie die Arbeit nicht gerne Andreas Babler überlassen? Wie überzeugend der neue Sonnenkönig sein wird – wer vermag das schon zu sagen? Die SPÖ hat jedenfalls keinen anderen (mehr).

Renate Wagner

 

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