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APROPOS: Spalten, abspalten – aber wohin?

12.03.2023 | Apropos, Feuilleton

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Spalten, abspalten –
aber wohin?

Gehört Religion zur Kultur? Auf jeden Fall. Also kann man sich, durchaus zu gegebenem Anlass, ein paar Gedanken dazu machen. Voran: Ich wurde getauft und nur insofern katholisch erzogen, als man mir im Gymnasium Religionsunterricht erteilte. Ich hatte zwei prächtige Lehrer, Werner Schwab, der Augustiner Chorherr in Klosterneuburg war, habe ich regelrecht geliebt. Dennoch habe ich ihm und seinem Kollegen, dem eloquenten Professor Lang, mit meinen Fragen die Hölle heiß gemacht.

Nach der Matura bin ich aus der Kirche ausgetreten – ich glaubte nichts von ihren Lehren, und wie oft ich eine Messe besucht habe, kann ich an den Fingern einer Hand abzählen. Und dennoch ist Religion für mich ein ganz wichtiges Thema. Zuerst kunsthistorisch – was ich daheim an Kirchen und Klöstern, was ich zusätzlich auf meinen Reisen an Kathedralen, Moscheen und Tempeln gesehen habe, ist rein kunsthistorisch eine nimmer endende Pracht, alles im Zeichen von Gott (ist es einer, der all die verschiedenen Götter und Propheten bindet?) errichtet wurden.

Zweitens ist Religion ein über die Maßen wichtiges Element in der Geschichte, man findet sie überall, im einfachen Alltag wie in der hohen Politik – bis heute. Nicht auszudenken, was „im Namen von…“ auf dieser Welt geschehen ist, verbrochen wurde.

Religion ist natürlich ein philosophisch gar nicht auszudiskutierendes Thema, und psychologisch hoch interessant – die Sehnsucht des Menschen, ewig leben zu wollen („Denn jede Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit“), sein Unwille, sich mit dem Sterben, mit der Möglichkeit des persönlichen Nicht-Seins abzufinden… und wenn schon Sterben, dann ein Jenseits, Belohnung der Guten (man selbst), Bestrafung der Bösen (die anderen), Angesicht Gottes usw.

Kurz, Religion überall, ein Thema endloser Beschäftigung, ganz jenseits dessen, was man „Glauben“ nennt.

Die katholische Kirche als Institution ist, bei allem, was schon entsetzlich schief gelaufen ist, eine ziemlich bewundernswerte Macht. Nun steht sie als Monument der Vergangenheit gegen den Zeitgeist, wobei es vor allem um die Unterdrückung der Sexualität und der Frau zu gehen scheint. Das lässt sich zumindest die deutsche Kirche, wie man hört, nicht länger gefallen.

Mit der Segnung von Homosexuellen (geschlechtliche Vielfalt sei zu respektieren), mit der Ankündigung, den Zölibat zu überdenken („den Papst zu bitten, den Pflichtzölibat für Priester neu zu prüfen“, lautet die offizielle Formulierung), rüttelt die deutsche Kirche an den Grundfesten dessen, was der Papst in Rom vertritt – vertreten muss, wenn er seinen Job in dem Sinne machen will, in dem er gewählt wurde. Er muss die Kirche erhalten – der „synodale Weg“ der Deutschen hat hingegen beschlossen. „Diese Kirche ist fähig zur Veränderung“.

Ich möchte nicht in den Schuhen des Fischers, sprich, in jenen von Franziskus über Wasser wandeln müssen, das unter mir nachgeben kann. Denn die Deutschen proben regelrecht den Aufstand (und das müssen sie auch wissen, dumm sind sie ja nicht, höchstens verbohrt). Im Grunde könnte der Papst nur sagen: Wir sind ein Club, ein Männerclub, und wenn Euch unsere Club-Regeln nicht mehr passen, macht Euren eigenen Laden auf. (Er würde das natürlich viel schöner formulieren.)

Andererseits gibt es immer Argumente. Man erinnere sich an die Wiener Philharmoniker: Ich bin heilig überzeugt, dass sie sich nie hätten zwingen lassen, Frauen ins Orchester aufzunehmen, falls es nicht geheißen hätte: Dann, liebe Herren, werdet ihr nie wieder in den USA gastieren. Das Argument war stark, denn es ging an die Geldbörse. (Und inzwischen haben die Herren wohl fest gestellt, dass es unter den Damen exzellente Musikerinnen gibt, die ihnen um nichts nachstehen.)

Mit Geld kann man dem Vatikan sicher nicht kommen. Der Papst steht (wie es Queen Elizabeth II. über das Englische Königshaus gesagt hat) einer Firma vor, mehr noch, einem weltweiten Konzern. Wenn da eine verhältnismäßig kleine Filiale ausbüchst, schadet das dem Ganzen im Grunde kaum (außer dem Prestige, zumal in der Welt der brüllenden Sozialen Medien). Sicher werden sich die Konzernchefs in Rom nicht von Deutschland sagen lassen, was sie tun sollen. Was könnte also für den Papst ein ähnlich starkes Argument sein, von den „alt ehrwürdigen“ (die anderen sagen: verstaubten) Prinzipien abzurücken?

Nun wie groß wäre der Verlust numerisch? Die römisch-katholische Kirche Deutschlands hatte laut Wikipedia Ende 2021 rund 21,6 Millionen Mitglieder (26 % der Gesamtbevölkerung), wobei ihnen die evangelischen Kirchen mit rund 19,7 Millionen Mitgliedern (23,7 %) wenig nachstanden – nun ja, das ist Luther-Land. Wenn der Papst die harte Linie fährt (und der manchmal so farblose Franziskus scheint dies imstande zu sein), dann setzt er auf ein Ultimatum: Schluß mit den Forderungen, zurück in den Schoß der Kirche ohne Bedingungen, oder – geht mit Gott, aber geht! Und schaut, wo ihr bleibt – denn das ist dann euer Problem,

Was machen die deutschen Bischöfe, die so sehr auf ihre „Laien“ und den Zeitgeist hören, dann? Noch ein Schisma? Eine eigene deutsche katholische Kirche (wobei viele Mitglieder wahrscheinlich nicht mitmachen würden)? Sich gleich den Protestanten anschließen?

Nun, mein Mann wurde als Lutheraner erzogen (viel stringenter als meine laxe katholische Erziehung), er hat zwei Pfarrer (ein Ehepaar, seine Cousine und ihr Mann) in der Familie, das sind sehr nette Leute, aber eisenhart. Die brauchen keine Katholiken, die bei ihnen unterschlüpfen wollen. Das hätten sie sich früher, zur Zeit Luthers, überlegen sollen…

Ich wäre für die Altkatholiken, die sind zwar nicht so furchtbar viele (eher fast gar nicht vorhanden), aber die tun schlicht und einfach ohnedies alles, was die deutsche Kirche von der römischen fordert. Allerdings – was da auf alle Beteiligten zukäme, an verbalen Schlachten und letztlich an juridischen Scheidungsprozessen, Vermögen auseinander dividieren, Irrungen und Wirrungen der Gläubigen… nicht gedacht soll es werden.

Andererseits: Schon letzten November sind deutsche Bischöfe in den Vatikan gereist, haben lautstark ihre Forderungen vorgebracht und sind ergebnislos abgereist. Wenn es diesmal hart auf hart geht, läuft es wohl auf eine Spaltung hinaus. Das sollten die deutschen Bischöfe wissen, denn Wunder gibt es nicht, auch nicht in der Kirche.

Auch das noch, bei all den Problemen, die uns ohnedies beuteln.

Renate Wagner

 

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