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APROPOS: Schweigen ist Gold

08.02.2019 | Apropos, Feuilleton

Schweigen ist Gold

Alte Sprüche können wie Banalitäten klingen, sich aber letztendlich auch als Weisheiten herausstellen. Zum Beispiel das gute, alte „Schweigen ist Gold“. Wie viele hätten sich gewünscht, sie hätten den Mund gehalten, statt mit irgendwelchen Geständnissen oder dummen Sprüchen herauszuplatzen. Denn heute gibt es die so genannten „Shitstorms“ im Netz. Und wenn sie auch – ehrlich gesagt – nichts wert sind, weil wir in einer Welt ohne Nachhaltigkeit leben und der nächste Shitstorm den alten vergessen lässt… manchmal sind die Folgen unausdenkbar.

Mit persönlich tut der Fall von Liam Neeson leid. Das war einmal ein so toller Schauspieler, der so tolle Filme gemacht hat („Schindlers Liste“, „Michael Collins“), und selbst die mittelmäßigen Krimis, in denen er heutzutage zu sehen ist, mag ich gelegentlich ganz gern zur Entspannung (man hat schließlich auch private Qualitätseinbrüche…).

Der Mann hat vor zehn Jahren plötzlich seine Frau verloren (Natasha Richardson, Vanessa Redgraves schöne Tochter) und hätte sich da wirklich als tragischer Witwer mit zwei kleinen Söhnen gerieren können. Er tat es nicht, bewahrte Stillschweigen. Anerkennenswert. Das ist Haltung, sich privat nicht der gierigen Öffentlichkeit zu verkaufen.

Und nun? Um für seinen Film „Hard Power“ zu werben, erzählte er Journalisten, als eine Freundin von ihm von einem Farbigen vergewaltigt wurde, hätte er Lust gehabt, einen „schwarzen Bastard“ zu ermorden… Nun, in unserer Welt kann man nicht annehmen, dass ein halbwegs intelligenter Mensch nicht weiß, was er sagt. Wenn er in allen Zeitungen der Welt auftauchen wollte: Das hat er geschafft. Aber um welchen Preis? Dass man ihn „rassistisches Schwein“ schimpft und sein Verleih ihm im wortwörtlichen Sinn keinen roten Teppich mehr ausrollte. Den Rest seiner Karriere kann er sich vermutlich abschminken. Sich damit zu entschuldigen, das sei vor 40 Jahren geschehen – wie blöd ist das? Gleich den Mund halten – wie gescheit wäre das gewesen?

Die zeitliche Distanz funktioniert auch andersrum – wenn jetzt immer öfter Jahrzehnte alte Anschuldigungen laut werden, in welcher Sache auch immer, ist (bei allem Respekt für die Opfer natürlich) der Nachgeschmack stets peinlich. Und, bitte, ich sage es ehrlich – wenn Kardinal Schönborn in aller Öffentlichkeit erzählt, dass ein Priester ihn einst auf den Mund küssen wollte (wie alt er war, geht aus dem Bericht nicht hervor), dann frage ich mich wirklich, was ihm da einfällt. Wem soll ein solches Geständnis nützen? Ihm? Der Kirche? Den wirklich Missbrauchten?

Bei der Idee, aus spekulativen Gründen noch ein bisschen Schmutz aufzurühren, dreht sich mir der Magen um. So ehrlich es seine Eminenz gemeint haben mag. So ehrlich seine Heiligkeit der Papst, wenn er von den missbrauchten Nonnen spricht… Augias-Stall ausmisten? Oder ganz einfach einen Bauchfleck vor dem Zeitgeist machen? Müssen Päpste auch twittern wie manche Präsidenten, die man nicht zuhause haben möchte?

Also, würdelos ist das Ganze jedenfalls… Besteht die Welt nur noch aus Menschen, die das Bedürfnis haben, wie bei Karlich in der Öffentlichkeit schmutzige Wäsche zu waschen?

Renate Wagner

 

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