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APROPOS. Reichenau – alles beim Alten

26.02.2022 | Apropos, Feuilleton

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Reichenau – alles beim Alten

Eine, wie die Fotos zeigen, strahlende Maria Happel hat (wenn auch diesmal ohne Unterstützung der Landeshauptfrau) „ihr“ Programm für die Festspiele Reichenau verkündet. Von „Neustart“ war die Rede, aber sieht man genau hin, ist das Gebotene von 2022 eigentlich eine ziemlich lückenlose Fortsetzung dessen, was das Ehepaar Loidolt (deren Sturz aus höchsten Höhen in die Vergessenheit man sich gar nicht vorstellen mag) über Jahrzehnte hinweg erfolgreich gemacht hat.

Nämlich hauptsächlich Weltliteratur mit einem steten, nur geringfügig wechselnden Schauspieler-Ensemble und Regisseuren, von denen nichts Böses zu erwarten war. Es sind nur Kleinigkeiten geändert, und dass man aus den letzten Loidolt Planungen „Des Teufels General“ übernommen hat, wird sogar expressis verbis „als  Zeichen der Wertschätzung der früheren Festspiel-Ära des Ehepaars Loidolt“ gedacht. Schön, wenn jemand gute Manieren hat.

Anton Tschechows „Die Möwe“ Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ Carl Zuckmayers „Des Teufels General“ und Neil Simons Komödie „Ein ungleiches Paar“ in der „weiblichen“ Fassung (hier ist übrigens „Profil“- und „Polly Adler“-Angelika Hager für „Dramaturgie und Konzeption“ zuständig…)  –  so hätten die Loidolts auch programmieren können.

Was fällt auf? Dass immer wieder von der ach so bösen „Protektion“ die Rede ist, wo sie doch überall herrscht, also auch hier. Maria Happel hat sich zwar selbst keine Regie und keine Hauptrolle zugeteilt (nur alternierend wird sie bei Wedekind auftauchen), was ehrenvoll ist, aber Gatte Dirk Nocker ist  bei Zuckmayer dabei, und wenn es nicht schelmisch wäre, Schlechtes zu denken, könnte man sich vorstellen, dass die „Möwe“ vor allem angesetzt wurde, damit Happel-Tochter Paula Nocker die Traumrolle der Nina spielen kann. Bei dieser Gelegenheit fällt auch auf, dass die Besetzung der Arkadina mit Sandra Cervik ein kleines Dankeschön in Richtung Josefstadt sein könnte, wo Paula Nocker (in der „Dreigroschenoper“) debutieren durfte. Mein Gott, das nennt man eben Seilschaften, Freundschaften, Beziehungen und macht nicht gleich eine dringliche Anfrage im Parlament daraus, Oder?

Auch in den Besetzungen der Stücke ist manches gleich geblieben, des Burgtheaters Martin Schwab ist als Doyen immer noch dabei, Paul Matic wird seinen wunderbaren vestorbenen Vater zwar nicht ersetzen können, ist aber ein sehr guter Schauspieler, und auch die „Paare“, die die Loidolts stets  beschäftigten, sind dabei, Nicolaus Hagg und Johanna Arrouas, Andre Pohl und Emese Fay. Stefanie Dvorak hat eine lange Reichenau-Tradition, desgleichen Petra Morze (die ja nach ihrem unfreiwilligen Abgang aus dem Burgtheater nicht mehr so präsent ist). die uns einst als Franziska Sztavjanik Bekannte (jetzt als Fanny Stavjanik geführt) kehrt wieder, desgleichen Mercedes Echerer, von der man nach ihrem Ausflug in die Politik schon fast vergessen hatte, welch interessante Schauspielerin sie war.

Überraschend ist die Besetzung des Harras in „Des Teufels General“, weil Theaterfreunde mit dem Namen Stefan Jürgens auf Anhieb wohl nichts anfangen können, aber in der Biographie auf der Website liest man, dass Fernsehzuschauer ihn aus einer „Soko“ kennen. (War dort nicht auch Maria Happel beschäftigt?)

Wer an den Hebeln sitzt, bestimmt nicht nur, wer dabei ist, sondern auch, wer dann eben nicht mehr dabei ist. Der Name von Joseph Lorenz fehlt, der in Reichenau von der „Schachnovelle“ bis zu „Professor Bernhardi“ die Speerspitze von überragenden Schauspieler-Leistungen bedeutete. Aber mit ihm dürften sich schon die Loidolts zerstritten haben – eine ihrer Spezialitäten, jemanden zum Star aufzubauen und sich dann (unschön?) von ihm zu trennen, das ging schon in den Anfängen Robert Meyer so. Auffallend auch das Fehlen von Julia Stemberger, die über Jahre quasi als schönste Frau das Festival schmückte. Auch Regina Fritsch fehlt, die sich möglicherweise selbst für die Intendanz interessiert hätte (ich weiß es wirklich nicht) – jedenfalls würde die Nina in der „Möwe“ dann von ihrer Tochter Alina gespielt worden sein (und die Arkadina vermutlich von ihr selbst…). Aber so, wie Kusej die Poelnitz weg schickte, weil die Beglau kam, stellt man immer wieder fest, dass für Konkurrenz kein Platz ist (und im Hinblick auf die Entscheidungsträger muss man das sogar begreifen).

Am deutlichsten fallen Änderungen bei den Regisseuren auf – Namen wie Beverly Blankenship, Helmut Wiesner oder Michael Gampe, die über Jahre für kluge, solide Inszenierungen sorgten, fehlen. Nun inszenieren Torsten Fischer (aus der Josefstadt-Connection geholt), Christian Berkel, den man eigentlich als Fernsehschauspieler kennt (und der mit der Jugendtruppe aus dem Reinhardt-Seminar für „Frühlings Erwachen“ sicherlich die schwierigste Aufgabe hat), Peter Dehler (hierzulande noch unbekannt) und – wie schon früher vorgesehen – Hermann Beil für das Zuckmayer Stück.

Maria Happel wird mit Burgtheater-Kollegen Michael  Maertens an mehreren Sonntagen ein literarisches Matinee-Programm geben und hat sich im übrigen einen besonderen Clou ausgedacht: Unter dem Titel „Alte Meister“ (in diesem Fall nicht von Thomas Bernhard) holt sie keine Geringeren als Peter Stein und Claus Peymann nach Reichenau, die flankiert von Hermann Beil, Klaus Pohl, Martin Schwab und Rudolf Buchbinder Anekdoten erzählen sollen. Mal sehen, wie die Herren da um ihre Positionen kämpfen…

Es ist, keine Frage, ein Loidolt-Programm, jetzt möge nur das Loidolt-Publikum (nach immerhin zweijähriger Pause) kommen und die bekannt saftigen Loidolt-Preise zahlen, dann ist im Reichenau der Maria Happel alles in Ordnung.

Renate Wagner

 

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