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APROPOS: Recht hat er

17.06.2019 | Apropos, Feuilleton

Recht hat er

Dass Heinz-Christian Strache das EU-Mandat nicht annehmen würde, darauf hätte ich mein – nicht vorhandenes – Vermögen verwettet, hundert zu eins. Was würde er denn in Brüssel machen? In diesem Tohuwabohu der EU-Beamten, Gremien, Ausschüsse, Sitzungen, Tagungen, Beschlüsse, da sieht eh keiner durch. Alle reden Englisch oder Französisch. Da eine angenehme Wohnung für drei zu finden (wo Philippa doch in den Wahlkampf muss), dort ein ordentliches österreichisches Bier aufzutreiben – und sich über die Schulter anschauen zu lassen: „Ibizia, haha!“ Ein kluger Mann setzt sich dem nicht aus. Ein anderer auch nicht.

Kein Aufreger für mich, nicht einmal eine Verwunderung. Wundern tu ich mich über ganz was anderes: Ich sollte zu Paulus Manker (ausgerechnet Paulus Manker!) sagen: Recht hat er!?!

Ich sollte ein einziges Mal in meinem Leben einer Meinung mit diesem Mann sein, den ich mindestens so verabscheue wie er mich (er hat mich seiner „tiefsten Verachtung“ versichert, und das hat mir wohl getan – denn von einem Menschen wie ihm geliebt und geachtet zu werden, da wären mir schon berechtigte Zweifel aufgestiegen)… Doch weg vom Persönlichen.

Natürlich ist Manker in erster Linie beleidigt, weil er nicht – wie es ihm seiner Meinung nach als „Erbhuldigung“ zugestanden wäre – das Theater seiner Eltern bekommen hat. Seine verstorbene Mutter Hilde Sochor, eine wunderbare Frau, wusste immer, wie wenig Liebe dem Paulus (zu Recht) entgegen gebracht wird, aber dass er dem Gustl auf den Volkstheater-Thron folgt, davon hat sie bis zu ihrem Ende geträumt. Wieder nix. Hat er seine sozialistischen Seilschaften nicht eng genug geknüpft – denn nur darauf kommt es in Wien an.

Aber es geht um was ganz anderes. Paulus sagt ganz richtig (er pudelt sich in einem APA-Interview auf), wie sehr sich die Frau Stadträtin – die mir persönlich noch expressis verbis gesagt hat: Das Komitee entscheidet!, also quasi, sie könne da gar nichts tun – dann im kühnen Alleingang einen Kasperl, nein, albern ist er nicht, nur ahnungslos, also: eine Figur aus der Kiste gezogen hat, mit der niemand rechnen konnte. Nicht einmal er selbst.

Wer für sie auf Kay Voges in Dortmund gezeigt hat – das werden wir wohl nie herauskriegen, so wenig wie die Bestellung von Roscic durch seinen Freund Drozda. Tatsache ist, dass sich das Ganze in kürzester Zeit abgespielt hat und dass die Frau Stadträtin gewaltig ins Schwimmen geriet, als man sie bei der Pressekonferenz fragte: Und wieso bitte – der? Sie hatte nichts von ihm gesehen (oder vielleicht in aller Eile eine Produktion?), er war bisher einmal im Volkstheater gewesen und erwies sich bei der Pressekonferenz zwar als sympathisch (als er sagte, er müsse die Stadt erst kennen lernen – immerhin ein Unterfangen, dem sich andere erst gar nicht unterziehen), aber als so ahnungslos, dass es weh tat.

Dass er – steht das in Wikipedia, man müsste es nachlesen? – das Volkstheater als „Arbeitertheater“ bezeichnete (au! gegründet einst von stolzen Bürgern als ihre repräsentative Antwort auf das Burgtheater), haben ihm die Kollegen schon bei der Pressekonferenz runtergeräumt (und Voges schien sich zu wundern – wenn er von den Sozialisten bestellt wird, muss es doch ein Arbeiter-Theater sein? Wo lebt der Mensch?). Dass er sagte, wenn das Publikum nicht ins Theater käme, müsste man halt zu ihm gehen, konnte man nur stöhnen – dafür ist das Volkstheater nämlich seit Jahrzehnten berühmt. Aber wie soll er es wissen, von einem Tag zum anderen?

Warum hat man ihn geholt? Wahrscheinlich weil er alle die richtigen Vokabeln verwendet hat: Vor allem will er das Haus „für die digitale Moderne fit“ machen. „Wie erzählen wir Theater in Zeiten von Netflix und Amazon sinnlich und gleichzeitig klug?“ (Sind Netflix und Amazon in diesem Zusammenhang wirklich so relevant?)

Wer „Voges“ sagt, sagt Theaterlabor, sagt Multimedia und Performance, Installation, Coding und Street Art. Wer Voges sagt, weist beglückt darauf hin, dass „Theater heute“ (für das Wien wohl erst mit Kusej wieder interessant wird) sein Dortmund immer wieder erwähnt, und ein paar Standardformulierungen gibt es auch (Papier ist geduldig, Computer sind es auch, sagen kann man so manches): Das Volkstheater werde ein „Labor ästhetischer Forschung“, eine „Factory“, und unter seiner Leitung „das fortschrittlichste Theater des Landes“. (Da er ja bei Kusej inszenieren darf, werden sie sich mit diesem Anspruch schon nicht in die Haare geraten.) Kurz, da sind sie, die ganzen billigen Zeitgeist-Phrasen…

Nun weiß man, was Wien zu erwarten hat. Danke, Frau Kulturstadträtin. Ihr Mann hat viel einzulösen. Sie auch. Vor allem wird man Sie fragen, ob Sie das so völlig kaputte Volkstheater damit wirklich wieder zum Leben erwecken werden. Immerhin, ein einziges muss man ihnen zu Gute halten: Sie haben nicht Paulus Manker gewählt.

Renate Wagner

P.S. Schon muss die APA berichtigen, alles sei bei der Voges-Bestellung mit rechten Dingen zugegangen, obwohl der arme Mann selbst unschuldsvoll bei der Pressekonferenz erklärt hat, “ vor zweieinhalb Wochen angefragt worden zu sein, ob er sich die Leitung des Volkstheaters vorstellen könne“ (Zitat orf. at). Also nicht selbst beworben, nicht seit Monaten mit ausgeformten und reiflich überdachten Vorschlägen und Konzepten vorstellig. Ja doch aus dem Hut gezaubert… Übrigens, hat die APA einen Akt der Selbstzensur gesetzt? Im ORF-Artikel wird Paulus Manker weiter zitiert: „Wie man hört, kannte die Kulturstadträtin den designierten Direktor nur vom Hörensagen, auch seine Arbeit als Regisseur kannte sie nicht, es war also ein Verzweiflungsschuss ins Blaue“, kommentierte Manker. Dabei zeige sich, dass Jurys „nur pseudo-demokratische Vorgänge“ und Politiker „nackt und bloß und völlig ahnungslos in ihren Entscheidungen“ seien. „Das ist genau jene Art von Politikern, die wir nicht mehr brauchen und die schleunigst aus den Parlamenten entfernt gehören, welcher Couleur sie auch immer angehören.“

Im APA Artikel findet man diese Passage nicht. Auch der APA Chefredakteur hat die Erklärung von der unbestechlichen vierten Macht der Demokratie unterzeichnet. Dennoch könnte man sich vorstellen, dass ein Anruf aus dem Rathaus… und flugs würden, wenn es denn so war, die ehrenwerten Herren zu Heuchlern.

 

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