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APROPOS: Nichts ist so hässlich als die Rache

12.01.2023 | Apropos, Feuilleton

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Nichts ist so hässlich als die Rache

Wenn ich König Charles wäre (mit längst gerissener Geduld), würde ich folgendes Statement aussenden.
„Wenn ein Sohn mit 38 Jahren so unüberwindliche Abneigung gegen seine Familie hegt, sollte er nicht gezwungen sein, länger in ihr zu verweilen. Ich entziehe Harold und seiner Gattin die Titel des Herzogs und der Herzogin von Sussex mit allen Pflichten und Rechten, die damit verbunden sind. Als Harold Windsor und Familie mögen sie frei von dieser Last leben. Der Buckingham-Palast wird sich zu den Kommentaren von Harold Windsor weder jetzt noch in Zukunft äußern. Wir wünschen der Familie alles Gute.“

Wenn ich Papst Franziskus wäre (auch schon ziemlich genervt), würde ich an Bischof Georg Gänswein schreiben: „Im Interesse der Katholischen Kirche, die uns wohl beiden am Herzen liegt, möchte ich Sie ersuchen davon abzusehen, „Insider Stories“ aus dem Vatikan in die Welt zu schicken und damit die Feinde der Kirche mit Munition zu versorgen. Sollten Sie sich aus der Katholischen Kirche zurückziehen wollen, werden wir Ihnen Ihre geleisteten Dienste entsprechend vergüten.“

„Nichts ist so hässlich als die Rache“, heißt es in Mozarts „Entführung“, wo Edelmenschentum gepredigt (und von einem orientalischen Fürsten vorgemacht) wird. Diese „Rache“-Fälle erschüttern die Welt, (na ja, „erschüttern“ ist zu hoch gegriffen, sie erschüttern höchstens Twitter und Instagram, nehmen aber viel Platz in Zeitungen und TV-Programmen ein), wobei ich „Prinz Harry“ kein Wort seiner Empörung glaube. Er ist die Marionette seiner wild gewordenen, grenzenlos geltungssüchtigen Gattin, die sich in Großbritannien in der Rolle der neuen, geliebten Diana sah und nicht ertrug, wie die Royals sie samt ihrem gefrorenen, falschen, zuckersüßen Lächeln eisig abgesägt haben.

Wenn sie schon nicht als neue „Prinzessin der Herzen“ fungieren kann, will sie wenigstens das, woran ihr am meisten liegt, nämlich Gold, viel Geld, Millionen von Dollar. Dafür musste Harry in seinem Buch gewissermaßen die Hosen herunterlassen, sich seelisch und moralisch ausziehen, damit jeder seine skandalösen Aussagen und wohl platzierten Anklagen lesen will – und wenn man neben dem Geldzählen noch die Royals anpatzen kann, umso besser.

Dem Bischof Gänswein glaube ich, dass er und der emeritierte Joseph Ratzinger es in ihrer Klausur nach dem Rücktritt nicht ganz so gemütlich hatten, wie die offiziellen Presseberichte aus dem Vatikan stets glauben machen wollten. Dass es sich beim Vatikan (natürlich wie beim Buckingham Palast) um eine Schlangengrube handelt, hat man oft genug gelesen und gerne geglaubt.

Dass ein ehrenwerter Mann, für den ich Gänswein halte, sich nicht alles gefallen lassen will, sieht man ein. Aber was wird es bringen außer ein wenig mediale Empörung, die sich in ein, zwei Wochen in Nichts auflöst? Wo kommt man hin, wenn die heutige Gewohnheit, jedermanns schmutzige Wäsche in aller Öffentlichkeit zu waschen (nämlich von den Beteiligten selbst), wirklich keine Grenzen mehr kennt (von jenen des Geschmacks ganz zu schweigen)?

Die Institutionen stehen stark und unbeweglich da, und wenn man sie anpinkelt, warten sie ungerührt, bis dies abgeronnen ist. Zurück bleiben von Rache hilflos glühende Männer, die am Ende nur noch eine klägliche Figur abgeben. Und doch – im Zeitalter der Sozialen Medien hatten sie ihre 15 Minuten Ruhm und ein bisschen mehr. Im Falle von Harry ist die Rechnung mehr als aufgegangen, da rauscht wenigstens das schmutzige Geld herein, 1,4 Millionen Exemplare seines Buches wurden am ersten Tag allein im englischsprachigen Raum verkauft  (oe24 will wissen, dass es 154 Millionen Euro sind, die Harry auf jeden Fall lukriert – nicht schlecht). Der Bischof wird es schwerer haben. Seine Empörung ist ehrlicher und wohl nicht mit dem schnöden Mammon aufzuwiegen.

Renate Wagner

 

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