Nicht kränken, Dominique!
Gtroßer Aufschrei in den Medien (auch hierzulande), als der neue Kulturstaatssekretär der neuen italienischen Regierung Vittorio Sgarbi den Vorschlag aussprach, „dass nach mehreren ausländischen Intendanten wieder ein Italiener die Leitung der Scala übernehmen sollte“ (wie es die APA in ihrer Aussendung wiedergibt). Dominique Meyer, der Franzose, der in zehn Wiener Jahren so „verösterreichert“ ist, dass er mit seinem Pressechef (den er nach Mailand mitnahm) in Italien noch immer Deutsch spricht, war „verletzt“. Begreiflich. Aber er soll es nicht persönlich nehmen. Nicht er ist gemeint. Es ist eine Grundsatzdiskussion.
Die Empörung bezieht sich darauf, dass wir die Welt so groß und weit gemacht haben – und nun die Globalisierung zurückdrehen wollen? Nun ja, überlegen wir einmal – wie viel hat sie uns denn gebracht außer dem Floaten von Waren durch die Welt (man muss sich nur Bilder der Containerhäfen ansehen, um zu erschrecken), den Druck der chinesischen Billigware, der es einheimischen Unternehmen unmöglich macht, zu konkurrieren, weil der Preis eben doch eine Rolle spielt (und immer mehr spielen wird).
Wie wurde Donald Trump, über den schwerlich etwas Gutes zu sagen ist, wegen seines „America first“-Motto beschimpft, aber warum eigentlich? Ein Präsident ist im Riesengroßen nichts anderes als einst ein germanischer Clanchef, und wehe, wenn sich der nicht zuerst um das Wohl der eigenen Leute gekümmert hätte! Irgendwie findet man es ja auch – wenn man ideologisch nicht ganz verbohrt ist – logisch, erst mal die nächsten Angehörigen – Eltern, Geschwister, Kinder – im Blick zu haben, wenn es um persönliche Verantwortung geht. Und wenn man hier Entscheidungen treffen muss, etwa, das Geld zu spenden oder dafür zu sorgen, dass die Angehörigen nicht frieren, da weiß doch der Instinkt, was da zu tun ist. Family first.
Und wie ist das mit der Aufforderung, „österreichisch“ einzukaufen, heimische Ware zu wählen (was ich grundsätzlich versuche, weil es mir näher ist, den Bauern zu unterstützten als chinesische Konzerne) – ist das nicht im Grunde dasselbe – Austria first? Da soll es gut sein, und weil Trump erst einmal an seine Amerikaner dachte, ist es schlecht?
Wie passt das zu Dominique Meyer? Sicher, wenn der italienische Kulturstaatssekretär fordert, dass die großen Institutionen des Landes von Italienern geleitet werden sollen, kann die Welt nur empört aufschreien als würde man, wie einst die Nazis die Juden, nun die Ausländer vertreiben. Keine Rede davon. Aber! Es steht doch außer Frage, dass Italien zweifellos genug Fachleute haben muss, die großen Opernhäuser, Museen und andere kulturelle Institutionen zu leiten. Ist diese Überlegung wirklich so illegitim?
Dass man sich mit Ausländer-Namen schmückt, war ein Stadium der Entwicklung. Vielleicht macht man jetzt einen Schritt weiter und denkt um. Freilich, dass es die „neofaschistische“ Regierung ist, die das fordert (unsere Medien können Frau Meloni und ihr Team gar nicht anders bezeichnen), ist natürlich schlimm, schlimm, schlimm. Aber, Sire, geben Sie Gedankenfreiheit! Oder Audaitur et altera pars! Hören wir alle Meinungen. Dann können wir uns immer noch fransig diskutieren…
Wenn der Chef der Uffizien, der offenbar gute Arbeit macht, jetzt abgewählt werden soll, weil er Deutscher ist, ist das hanebüchen. Desgleichen bei Dominique Meyer. Aber wenn der nächste Scala-Direktor ansteht, sollte man Meyer vielleicht erst einmal verlängern, wenn er gute Arbeit gemacht hat, und danach die Bewerbungen der Landsleute gleichwertig berücksichtigen. Ist das zu viel verlangt?
Blickt man auf die Wiener Landschaft, so ist man erfreulich „heimisch“ und dabei gut bedient. Die Vorarlbergerin Sabine Haag leitet das KHM, gleich drei Oberösterreicher (Schröder, Wipplinger, Rachinger) stehen hoch erfolgreich an der Spitze von Albertina, Leopold und Nationalbibliothek, die Salzburgerin Ingried Brugger leitet das Kunstforum, die Wienerinnen Stella Rollig, Agnes Husslein, Lilli Hollein, Marie-Theres Arnbom und Barbara Staudinger stehen Belvedere, Sammlung Horten, MAK, Theatermuseum und Jüdischem Museum vor.
Ist das nun „Chauvinismus“ von Bund und Land, oder hat man einfach gesucht, wo die heimischen Kräfte sind, die auch noch den Vorteil haben, sich umweglos hier „auszukennen“?
Bei den Theatern – der Kärntner Kusej (noch) für das Burgtheater, der Wiener Föttinger für die Josefstadt, der Oberösterreicher Roscic für die Staatsoper.
Freilich, der Wiener Schottenberg , der Wiener Geyer und der Wahlwiener Meyer wurden im Volkstheater , im Theater an der Wien und in der Volksoper durch „Ausländer“ ersetzt – in einem Fall (Kay Voges) hat sich die Katastrophe erwiesen, in den anderen Fällen (Herheim, de Beer) wird noch an der richtigen Mischung von Ambition, eigener Handschrft und Zugehen auf das Publikum gearbeitet. Man kann nur viel Erfolg wünschen.
Ist das nun eine faschistoide Attacke gegen „Ausländer“? Nur, wenn man im woken Meinungsterror die diversen Keulen auspacken will. Ich bin kein(e) Chauvinist, kein Faschist, kein Rassist, kein Antisemit, kein Homophobist, kein Sexist, kein Antifeminist und was mir an den Anklage-Killer-Begriffen, die so gut funktionieren, dass jeder sich angstvoll duckt, noch einfallen mag. Ich bin nur ein schlicht denkender Mensch. Der auch einmal wagen möchte, Meinungen auszudrücken, die in einer so restriktiv gewordenen Gesellschaft meist aus Feigheit hinunter geschluckt werden.
Im übrigen: Im Idealfall (nur: Wann gibt es den?) soll man die Besten auswählen, egal welcher Nationalität (Rasse, Gender usw.). Niemandem soll daraus ein Nachteil erstehen, wer er ist. Aber auch kein Vorteil („Es muss eine Frau sein“). Grundsätzlich sollte man nicht nur deshalb jemanden von draußen nehmen, weil es so chic, divers und weltoffen ist. Diese Spekulationen sind einfach ermüdend. Man muss aus all den Irrwegen, in denen wir stecken, endlich einmal herausfinden – und sachlich zu denken wagen.
Renate Wagner