Nachbesetzungen / Umgangsformen
Ich bin kein Freund von Robert Meyer, nicht mehr, nachdem ich es die meiste Zeit meines Lebens war – ich schätzte ihn als besonderen Schauspieler, ich freute mich für ihn und mit ihm, als er Direktor der Volksoper wurde, ich kannte ihn ein wenig, wie man halt als Journalist en passant Künstler kennt, die man von Zeit zu Zeit interviewt. Dann habe ich mir seine und er hat sich meine Gunst zu hundert Prozent verscherzt, aber das ist Geschichte, die uns vermutlich beide längst nicht mehr interessiert.
Die Präambel nur, damit niemand meint, ich agiere – wie es in Wien so üblich ist, „über die Bande“ – in Meyers Sinn, wenn ich sage, dass ich das Verhalten von Staatssekretärin Andrea Mayer für ebenso unhöflich wie im Grunde unkorrekt halte. Einem Direktor, der sich um Vertragsverlängerung bewirbt, gleich unverblümt ins Gesicht zu sagen (und vielleicht noch stolz zu sein auf die „Offenheit“?), er solle sich schleichen (Wienerisch ausgedrückt), es will ihn eh keiner mehr – was sind das für Umgangsformen? Geht man so mit Menschen um, die ja doch etwas geleistet haben? Hoppala, wo samma denn? Was ist aus der Noblesse der Wiener Beamtenschaft geworden?
Selbst, wenn Frau Mayer in der Volksoper eine Veränderung wollte (ja, und viele – Kollege Schramm-Schiessl und ich sind nicht die einzigen, die an die Konzeptionen der Direktion Moser zurückdenken – sehen auch eine andere Volksoper, es sei denn, man bietet so Gelungenes wie „König Karotte“) – wer sagt denn der Frau Staatssekretärin, dass ein neues Konzept von Robert Meyer nicht eben diese Veränderung brächte (er ist ja auch nicht blöd)? Aber ihn gleich mit einem Tritt im A- hinaus zu befördern – die rot / grüne Kulturmischung, die Frau Mayer repräsentiert, wird sich doch nicht die schlechten Gewohnheiten des „Danks des Hauses Habsburg“ angewöhnen (darauf war bekanntlich nicht zu zählen, Andreas Hofer hat es gewusst). Die Form könnte man doch wahren…
Dabei fällt mir ein, dass Josef Köpplinger, als wir anlässlich der „Dantons Tod“-Premiere mit einander sprachen, mir versicherte, nie, nie, nie würde er gegen seinen Freund Robert Meyer antreten. Wenn der aber nun keine Konkurrenz mehr ist – wie wär’s? Ein Besserer als Köpplinger fiele mir für die Volksoper im Moment nicht ein.
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Und noch eins. Jetzt hat doch tatsächlich das Kuratorium des Salzburger Festspielfonds die Funktion der Präsidentin oder des Präsidenten der Salzburger Festspiele öffentlich ausgeschrieben. Und das, obwohl Helga Rabl-Stadler ganz gern noch ein Jahr bleiben und dann 2021 „richtige“ Festspiele veranstalten will. Und das hat sie auch verdient.
Sie war mutig und unerschrocken, wo andere es sich gleich bequem gemacht haben – als Erster Roland Geyer, der sofort seine beiden nächsten Premieren gestrichen hat; dann das Burgenland, wo man das ganze Land still legte (und jeder weiß, was Mörbisch und St. Margarethen für die Region bedeuten, und auch die anderen Festspiele haben ihr Publikum und ihre Umwegrentabilität). Und von den Niederösterreichischen Festivals hat nur Michael Sturminger den Kopf nicht eingezogen und (sehr erfolgreich, wie versichert wird) in Perchtoldsdorf „Romeo und Julia“ zur Aufführung gebracht – alle anderen haben lieber verschoben…
Nichts dagegen zu sagen, da steckten sicher auch richtige Überlegungen dahinter, aber wenn jemand wie Helga Rabl-Stadler dagegen aufstand und sicher mit unendlichem Aufwand an Arbeit, Kraft und Seelenstärke „100 Jahre Salzburg“ durchzog – dann kann man nicht warten, bis man die Nachfolge sucht?
„Ihr Vertrag läuft mit Jahresende aus und muss deshalb ausgeschrieben werden“, heißt es. Und das ist in Stein gemeißelt? Da gibt es keine Flexibilität? Keine Höflichkeit? Kein bisschen Gefühl für Anstand?
Österreichs Politiker zeichnen sich nicht eben aus – am wenigsten, wenn es um Kultur geht.
Renate Wagner