Morgen, Kinder, wird’s was geben
Morgen findet an der Wiener Staatsoper die Uraufführung der Oper „Die Weiden“ statt.
Ihr Komponist, Johannes Maria Staud, hat in den letzten Wochen keine Gelegenheit ausgelassen, in Interviews die Regierung und zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung grob zu beschimpfen, weil er ihre politische Meinung nicht teilt. Das kann er hierzulande unbehelligt tun. Mehr noch – er bekommt die Bühne der Staatsoper, eine vom verunglimpften Staat hoch subventionierte Institution, dafür zur Verfügung gestellt, seine Plädoyer für jene „Linke“ abzuliefern, die derzeit in der heimischen Politik gerade nicht so wirklich stark ist.
Wer wäre man, dem Komponisten Berechnung zu unterstellen, wenngleich er natürlich aus Beispielen weiß – Thomas Bernhard ist diesbezüglich das beste –, wie hervorragend sich Beschimpfungen dafür eignen, Aufmerksamkeit zu erregen. Und da moderne Opern ja nicht gerade das sind, zu denen das Wiener Publikum geschlossen aufbricht (übrigens wohl auch kaum andere „Publikümer“ in großen Opernstädten), muss man schon Neugierde erregen und auf breiter Ebene Beachtung finden. Das ist Johannes Maria Staud bestens gelungen. Beifall und Groll hat er sich schon im vorhinein geholt.
Nun steht die Premiere bevor, und das Beste, was die Schöpfer des Werks erhoffen können, ist ein möglichst lautstarker Skandal. Dann haben sie „Recht“ behalten, und die rechten Faschisten und Kellernazis, Wiederbetätiger und Rassisten, aus denen das Volk besteht, versuchen die mutigen Kämpfer niederzuschreien. Das wäre wahrlich ein Triumph.
Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre ein „Wiener Erfolg“ – lauer Beifall, durchsetzt mit dem Jubel derer, die immer jubeln. Das klänge hohl, und da könnte man sich dann weniger toll fühlen – es sei denn, man redet sich ein, die Qualität des Werks habe überzeugt.
Oder es wird aus künstlerischen Gründen und nicht als politische Demonstration tatsächlich ein großer Erfolg – was weiß man denn, Kaffeesudlesen bringt ja nichts? Nachher ist man immer gescheiter.
Was die Wiener Staatsoper betrifft, so darf sie sich vom „Falter“ streicheln lassen (das hätte das Haus wohl in seinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten): „Die Staatsoper stellt die Entwicklung des Staates nach rechts in Frage. Wer hätte ihr das zugetraut?“
Ob das von Seiten des Direktors Dominique Meyer tatsächlich ganz so beabsichtigt war? Darüber kann man nur spekulieren. Er hat jedenfalls nicht in die „künstlerische Freiheit“ eingegriffen – und sich so das „Zensur“-Geheule erspart. Er ist ja auch auf der sicheren Seite – sein Vertrag ist schon nicht verlängert worden, er muss niemandem mehr gefallen. Ob er am Ende als mutiger politischer Kämpfer gelobt wird? Heutzutage ist ja einfach alles möglich.
Renate Wagner