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APROPOS: Mein Abschied vom Burgtheater

17.04.2023 | Apropos, Feuilleton

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Mein Abschied vom Burgtheater

WIEN / Burgtheater; 
DIE GEFESSELTE PHANTASIE von Ferdinand Raimund
Premiere: 29. März 2023 
… und Bless Amada war als Hirten-Liebhaber farbiger als die Rolle sonst gesehen wird.

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Von: Presse Burgtheater [mailto:presse@burgtheater.at]
Gesendet: Freitag, 14. April 2023 09:35
An: info@der-neue-merker.at; wesewag@aon.at
Betreff: Brief der Ensemblevertretung Burgtheater

Liebe Frau Wagner,

anbei leiten wir Ihnen einen Brief unserer Ensemblekolleg*innen weiter. Daraus folgend müssen wir Ihnen heute mitteilen, dass wir Ihnen ab sofort keine Pressekarten mehr zur Verfügung stellen. 

Mit besten Grüßen 
Sabine Rüter 

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Win, den 14. April 2023

 Liebe Frau Dr. Wagner,

Ihre Kritik zur Premiere von „Die gefesselte Phantasie“, erschienen am 29. März, wollte Bless Amada gern als Kompliment verstehen, doch wir sind alle über Ihren eindeutig zweideutigen Wortwitz gestolpert.

Als Theaterwissenschaftlerin und Kulturjournalistin wählen Sie Ihre Worte keinesfalls zufällig, daher sind Ihnen der Ursprung und die rassistische Bedeutung des aus der Kolonialzeit stammenden Wortes „farbig“ zweifelsfrei bekannt.

Das Ensemble des Burgtheater stellt sich gegen jede Form des Rassismus, der Diskriminierung und der Mikroaggression in unserer Gesellschaft. Wir möchten Sie daher auffordern, künftig bedachter in Ihrer Wortwahl zu sein. Komplimente eingeschlossen.

Bless Amada und die Ensemblevertretung des Burgtheaters Dorothee Hartinger, Sabine Haupt, Philipp Hauß, Alexandra Henkel und Daniel Jesch

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Von: Wagner-Wesemann <wesewag@aon.at>
Gesendet: Freitag, 14. April 2023 10:18
An: Presse Burgtheater <presse@burgtheater.at>
Betreff: Erklärung zu dem Brief der Ensemblevertretung Burgtheater

Geehrte Damen und Herren,

es war als Witz gemeint,
und ich denke, dass es bösen Willen braucht,
so etwas mißzuverstehen.

In welch bitteren Zeiten leben wir?

Wenn ich Herrn Bless Amada verletzt habe,
so entschuldige ich mich aufrichtig,
bin auch gerne bereit,
diese Sequenz aus der Kritik zu entfernen.

Ich kann Sie nur bitten, Ihren Entschluß zu überdenken.
Das Burgtheater ist seit Jahrzehnten ein Teil meiner Identität als Theaterbesucher,
ich würde es ungern verlieren.

Mit der Bitte um Ihre Antwort und besten Grüßen,

Dr. Renate Wagner-Wesemann

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Von: Presse Burgtheater [mailto:presse@burgtheater.at]
Gesendet: Montag, 17. April 2023 17:27
An: Wagner-Wesemann
Betreff: AW: Erklärung zu dem Brief der Ensemblevertretung Burgtheater

Sehr geehrte Frau Wagner,

Ihre Entschuldigung gebe ich gerne weiter.
Unser Entschluss bleibt bestehen.

Mit besten Grüßen
Sabine Rüter

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Von: Wagner-Wesemann [mailto:wesewag@aon.at]
Gesendet: Montag, 17. April 2023 18:22
An: ‚Presse Burgtheater‘
Betreff: Das kam wohl sehr gelegen

Liebe Frau Rüter,
sehr geehrte Ensemblevertretung,

wissen Sie eigentlich, was „Rassismus“ wirklich ist?
Das wäre, wenn ich mich aufgrund meiner weißen Hautfarbe
allen anderen Menschen, die Gott farbig schuf, überlegen fühlte –
fern sei es von mir.
Wenn ich aufgrund dessen, PoC herablassend oder verächtlich behandelte –
fern sei es von mir.

Einen Witz zu machen, ist nicht „Rassismus“,
und jemanden dafür sofort zur Hinrichtung zu führen und zu köpfen,
ist, wenn man es nüchtern betrachtet, zumindest inadäquat.

Was den Verdacht nahe legt,
ob dieser Vorwand vielleicht sehr gelegen gekommen ist.
So kann man sich einer unerwünschten Rezensentin,
die noch nie Gefälligkeits-Kritiken geschrieben hat,
entledigen, indem man eine Petitesse zu einem „Rassismus“-Vorwurf hochschaukelt.

Werte Ensemblevertretung, ich hoffe,
die Rache schmeckt Ihnen süß.

liebe Frau Rüter, danke für die gute Zusammenarbeit.
Ich verabschiede mich von Ihnen, von der Ensemblevertretung und vom Burgtheater
und wünsche Ihnen allen alles Gute.

Beste Grüße,
Renate Wagner

 

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