Mach’s wie der Vogel Strauß!
Da der Mensch in seiner Entwicklung auf dieser Erde noch in einem ganz, ganz frühen Stadium steckt, wie uns die Wissenschaft versichert, haben wir noch jede Menge „tierischen“ Verhaltens in uns. Das heißt, wir sind noch Jäger und Räuber, wissen aber auch, wie wir uns versteckten können. Oder selbst täuschen.
Dem Vogel Strauß sagt man nach, dass er den Kopf in den Sand steckt, nach dem Motto: Was ich nicht sehe, ist nicht. Kein vernünftiges Verhalten, aber man kann es dennoch auch unter Menschen finden. Lieber leugnen, als den Dingen ins Auge blicken.
Denn was kann eine ehemalige Bundeskanzlerin – also setze ich voraus: eine Frau mit Verstand und Urteilsvermögen und Selbstdisziplin – schon veranlassen, sich nach ein paar Schlucken zu viel ans Steuer zu setzen? Ohne daran zu denken, dass das eine Gefahr für sich und andere darstellt? (Es soll allerdings noch Steinzeit-Macho-Männer geben, die meinen, eine Frau am Steuer sei in jedem Fall eine Gefahr…) Kann sie wirklich glauben: Ich werd’ eh nicht erwischt, nur weil man bei tausendmal am Steuer vielleicht einmal kontrolliert wird? Oder hat sie gedacht: Wenn die mich erkennen, salutieren sie und wünschen Gute Fahrt? Oder hat sie einfach gar nicht gedacht, den leicht beschwipsten Kopf in den Sand? Ein bisserl peinlicher als die mißachtete Sperrstunde des Bundespräsidenten ist es schon, aber lassen wir es sein. Es ist ja nichts weiter geschehen, als dass die Betroffene für ein paar Monate ihren Führerschein verliert. Und unser Bundeskanzler hat sehr weise bemerkt (er ist sehr weise für sein jugendliches Alter), wer selbst nie gefehlt hat, der werfe den ersten Stein. Also, da sind wir alle sicher. Vergessen wir es.
Was aber, wenn wirklich mächtige Menschen wirklich gefährliches Vogel-Strauß-Verhalten an den Tag legen? Präsident Trump, für tägliche Schalkhaftigkeiten gut, die von der Weltpresse verbreitet werden und den Lesern in aller Welt Kopfschütteln verursachen, hat sich da das Allerbeste geleistet. Zeit für den Wahlkampf, er will ja im November erneut den Auftrag erhalten, die USA und die Welt für weitere vier Jahre in Unruhe und Schwanken zu versetzen.
Es geht jetzt gar nicht darum, dass bei seinem Auftritt in Tulsa (Oklahoma) lange nicht so viele Fans erschienen sind, wie er erwartet hat. Seine klassische Uneinsichtigkeit bezüglich des Rassismus-Kampfes, der sein Land im Innersten aufwühlt, ist jetzt nicht das Thema, obwohl gefährlich genug. Es geht um des Präsidenten kindliche Einstellung zu Corona. Ungeachtet von derzeit 2,216 Millionen Infizierten und 120.000 Corona-Toten präsentierte er die Lösung des Problems: Nirgends werde so viel getestet wie in den USA, wenn man also die Tests einschränkt (Also habe ich meinen Leuten gesagt: ‚Verlangsamt bitte die Tests‘!), dann gibt es weniger Kranke… Zu Deutsch: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Was ich nicht will, dass es ist, ist einfach nicht. Corona? Eine Grippe! (Trump sagte, er kenne für das Virus 19 verschiedene Namen, darunter „Kung Flu“.) Regt Euch nicht auf!
Ist das nicht genial, was sich so ein Präsidenten-Hirn ausdenkt? Da nützt es gar nichts, dass das Weiße Haus auf Anfrage erklärte, Trump habe „offensichtlich gescherzt“. Ich fürchte – nein. Er meint das so. Am Ende glaubt er es sogar. Zuzutrauen wäre es ihm
Renate Wagner