Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

APROPOS: Macheloikes

21.10.2022 | Apropos, Feuilleton

00 a apropos renate ipse 300

APROPOS: 
Macheloikes

Ich habe Arik Brauer (sehr liebevollen Angedenkens meinerseits) immer wieder im Englischen Theater getroffen, wir haben geplaudert, und er hat sich gewundert, wie leicht mir Begriffe wie „überhochmetzt“ über die Lippen gekommen sind. Mein Vater, der es schaffte, ein Nazi und ein Judenfreund zugleich zu sein (den Nazi hat er sich abgewöhnt, der Judenfreund belegte sich nicht zuletzt aus einer Bibliothek jüdisch-österreichischer und jüdisch-deutscher Autoren, die während des Krieges keinesfalls entsorgt wurde und die sich sehen lassen konnte), hat immer jüdische Ausdrücke in unsere Gespräche einfließen lassen. Ohne nachzudenken, ganz selbstverständlich. Wenn er Zores hatte, waren es Zores – ein anderes Wort wäre ihm dafür gar nicht eingefallen.

Warum diese Einführung? Weil viele Leute jetzt Zores haben? Eher weil mir angesichts jüngster Ereignisse das Wort„Macheloikes“ in den Sinn gekommen ist (im Internet mit Betrügerei, üble Machenschaften übersetzt), Nun, ich will mal politisch naiv agieren. Wie kann sich so eine Idee, „Kronzeuge“ zu werden, abspielen? Sicher nicht, weil Mama einem ins Gewissen geredet hat, man solle nun auf einmal ein guter Mensch werden. Sondern, weil von irgendwoher vielleicht die Anregung gekommen sein mag, es wäre doch nützlich, sich zur Verfügung zu stellen, um die „Kurz muss weg“-Aktion endlich zu Ende zu bringen und ihn, wie der „Falter“ schon triumphierend  titelt, ins Gefängnis zu stecken. Dafür kommt der Kronzeuge bestimmt ganz glimpflich weg, versprochen, und man hat endlich sein Ziel erreicht. Sich dabei moralisierend auf die Mama zu beziehen, ist Gipfel an Verlogenheit und so dick, dass man sich fast dabei übergeben musste, als man es gelesen hat, aber sei’s drum, wer ist bei Macheloikes schon heikel?

Ich könnte mir – naiv, wie ich bin – auch vorstellen, dass irgendjemandem der Kragen geplatzt ist, angesichts dessen, was aus den Wiener Festwochen geworden ist, nämlich von einem herrlichen Theater- und Musik-Fest einst eine Aneinanderreihung von (vielen gänzlich überflüssig erachteten) Performances, die wahre Theaterfreunde nur in die Flucht treiben konnten? Aber im Gegensatz zur Direktion der Wiener Staatsoper wollte man dem zweifelsfrei „schuldigen“ Intendanten, dem Belgier Christophe Slagmuylder, die Schande einer Nichtverlängerung ersparen. Er darf sich selbst zurückziehen, angeblich, weil ihm die „Headhunter“ keine Ruhe gelassen und ihm einen Superjob in Brüssel besorgt haben (die Leitung des Kulturzentrums Palais des Beaux-Arts).

Das klingt gut, da kann man die üblichen Phrasen des Bedauerns und der schweren Entscheidung dreschen – aber glaubt eigentlich irgendjemand, dass irgendjemand dergleichen glaubt?  Reden wir doch einfach Tachles, wie wär’s?

Geh mit Gott, aber geh, kann man zu Monsieur Slagmuylder nur sagen, und die verdiente böse Nachrede folgte auf dem Fuß. Die Presse titelte „Die Wiener Festwochen können nur besser werden“ und dröselten die Misserfolge auf. Gut, er geht, es waren Macheloikes nötig, um das zu tricksen (gilt die „Unschuldsvermutung“ und alles war so, wie sie sagen???), am Ende zählt, was geschieht, egal, mit welcher Verlogenheit es verbrämt wird. Bloß – es soll uns niemand für so blöde halten, all das Gelabere zu glauben, das da abgesondert wird.

Nun hätte man (nach jüngsten Erfahrungen wieder) eine gute Idee: Vielleicht könnte ein „Headhunter“ für Kay Voges einen so wunderbaren Job in Deutschland finden, dass er leider, leider, auf der Stelle das Volkstheater verlassen muss, bevor es für dieses ganz zu spät ist? Da hätte man ganz gern ein paar Macheloikes, wenn das möglich zu machen wäre.

Bloß – zwei Damen, Veronica Kaup-Hasler (amtsführende Stadträtin für Kultur und Wissenschaft) und Andrea Mayer (Kunst-und Kulturstaatssekretärin), die für die Nachbesetzungen  zuständig sind, haben längst das Vertrauen verspielt, dass sie für Wiens Kultur und vor allem für Wiens Publikum wirklich Gutes wollen – oder auch nur kennen bzw. erkennen.

Sicherlich, im Fall der Festwochen und des Volkstheaters (gegebenenfalls) würde einmal der alte Spruch nicht greifen, dass nichts Besseres nachkommt, denn schlechter geht es ja wohl nicht. Es sei denn, die zuständigen Damen überraschen uns. Im Guten oder im Schlechten? ja

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken