APROPOS: Ja, die Zeit ändert viel…
Erster Gedankengang:
Ich habe mich diesen Sommer nicht weiter von Wien wegbewegt als bis Reichenau, und ich hatte auch keinerlei Bedürfnis, wie in früheren Jahren hektisch zwischen Salzburg und Bayreuth, Bregenz und Verona herumzuzischen (und womöglich Glyndebourne und Aix als Draufgabe, obwohl diese Orte bei den Österreichern nicht so populär sind). Man wird älter, und man hat’s gehabt.
In alten Zeitungen zu blättern, die irgendwann in Ecken geschmissen wurden, um „später“ einmal hervorgeholt zu werden, bedeutet „Walking Memory Lane“, und das ist eine gute Sache. Sie beweist nicht zuletzt, dass wir uns über nichts aufregen sollen, denn erstens kommt es anders und zweitens als man denkt, wie dieser grammatikalisch unmögliche, aber inhaltlich wohl richtige Satz lautet…
Zweiter Gedankengang:
Die Salzburger Festspiele neigen sich ihrem Ende zu, höchst erfolgreich, wie man hört, was mich und die in der Wolle gefärbten Alt-Opernfreunde wundert, denn die Besetzungen von „Zauberflöte“, „Salome“ oder „Pique Dame“ waren ja keinesfalls Über-Drüber-Festspielglanz, sondern eher weit drunter. Aber bitte, wenn sich eine Marke verkauft, dann tut sie es. Und wer verkauft die Salzburger Festspiele am besten? Die Präsidentin, Helga Rabl-Stadler, die Unentbehrliche, immer Präsente, immer so mit vollem Herzen Engagierte (das glaubt man ihr, das kann man nicht spielen). Sie also, ohne die es nicht geht, die Integrationsfigur. Bloß…
Dritter Gedankengang:
Was finde ich also in der Presse vor 20 Jahren? Es gibt ja wirklich „Fundstücke“, da gehen einem die Augen über (denn man hatte natürlich vergessen, was damals war).
Wie war das damals, als mit Peter Wittmann ein neuer „Kunststaatssekretär“ der SPÖ gewaltig umrühren und die Salzburger Festspielpräsidentin abschaffen wollte? Sie schien also gar nicht immer so unentbehrlich, sondern damals eher „überflüssig“, für Wittmann offenbar ein Störfaktor, in ihrer Funktion auf reine Repräsentation reduziert … Na, das hat man ja dem alten Kaiser auch nachgesagt, und schaut’s, wie schief es gegangen ist, als er weg war.
Vierter Gedankengang:
Was beweist die Erinnerung daran, dass man die „Unentbehrliche“ vor 20 Jahren einfach wegwischen wollte? Erstens, dass alles immer nur Politik ist – keine Ahnung, welche ÖVP-Seilschaften damals beschworen werden mussten, um die Chefin im Amt zu belassen. Zweitens, dass ein Job ist, was man daraus macht, und sie hat das Höchstmögliche daraus gemacht (und wie viele Intendanten schon überlebt? Man müsste nachzählen). Drittens: Sic transit gloria mundi: Wer oder wo ist Herr Wittmann? Verweht, wie so viele Politiker, die gerne auf sich aufmerksam machen wollten und berechtigt im Strudel des Vergessens versunken sind. Kurzfristig sind sie die Mächtigsten, danach sind sie Niemand, nicht einmal eine schlechte Erinnerung.
Es ist manchmal ganz lehrreich, ein wenig in die Vergangenheit zu schauen. Ja, die Zeit ändert viel, wie’s schon bei Nestroy heißt.
Renate Wagner