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APROPOS: Ich hab’ die Nase so voll…

24.11.2022 | Apropos, Feuilleton

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Ich hab’ die Nase so voll…

Schon Josefstadt-Direktor Franz Stoß (dessen Namen heute vermutlich niemand mehr kennt, aber er war ein sehr kluger Mann) wusste, dass in Wien die Frage nicht lautet: Wer schreibt was?
Sondern: Wer schreibt was warum?
Nicht nur jede Theaterkritik, jeder Artikel zur Kultur ist „Politik“ – und das jeweils zu Gunsten einer Partei.
Selbst wenn man konzediert, dass es die absolute Wahrheit nicht gibt, haben wir es mit gezielter Manipulation  zu tun.
Manchmal leichter, manchmal schwerer zu durchschauen.
Aber Ziel und Zweck stecken immer dahinter.

Ich hab’ die Nase so voll von den Verlogenheiten – abgesehen davon, dass jeder Bescheid weiß und trotzdem heuchlerisch daran festgehalten wird. Da erregt sich der „Standard“, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) für sein Kunst- und Kulturprogramm im Rahmen der Parlamentssanierung Peter Wipplinger ohne Ausschreibung als Kurator bestellt hat. Und dieser hat – Schmutzerei, Nepotismus! –  noch seine Lebensgefährtin Susanne Längle dazu herangezogen (zwei Gehälter sind besser als eines).

Gut, das macht keinen schlanken Fuß, hätte mein Vater gesagt (sprich: Schaut nicht gut aus und ist auch nicht gut). Aber hatte Hans Peter Doskozil im Burgenland nicht auch einen dicken Job für seine Lebensgefährtin vorgesehen und konnte nur in letzter Minute zurück gepfiffen werden? Hat sich irgendjemand drüber aufgeregt, dass einst im Wiener Rathaus Michael Häupls Lebensgefährtin die hoch dotierte Zeitschrift der Stadt Wien gestaltete?

Vor allem – hat je einer der ach so empfindlichen, der Wahrheit so unbedingt  verpflichteten Journalisten aufgeschrien, als Thomas Drozda seinen alten Spezi Bogdan Roscic unter völlig undurchsichtigen Umständen zum Staatsopernchef kürte? Nein, nein, die Presse hat gekuscht.

Und Heinz Sichrovsky, der sich in seinen „News“-Kolumnen und im Fernsehen schon so aus dem Fenster gehängt hat, um Roscic bei der Vernichtung von Philippe Jordan zu helfen, schreibt des langen und breiten über den Schelmenstreich von André Heller. Dabei hängt er das Mäntelchen des Vergleichs  für einen selbst gebastelten Bilderrahmen unendlich hoch: Heller habe „dem Genre des Schelmenromans seit Apuleius, Grimmelshausen und Thomas Mann ein Stück hinzugefügt.“ Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen…

Und was ist mit dem Betrug um 800.00 Euro? „Ich habe keine Ahnung, und es interessiert mich auch nicht, denn hier geht es um die Kunst“, schreibt Sichrovsky. Lächerlich, ist ihm doch zu gönnen, das bißchen Geld, dem armen Kerl, meint Sichrovskys Sidekick Susanne Zobl. Ja, wirklich. Und am Ende lesen das noch Leute – und glauben es, dass der Heller eh nichts Gesetzwidriges getan hat? 
Wie wäre es übrigens, um einen Vergleich zu wagen, wenn man Sichrovsky ein Stück mit Farbe überschütteter Leinwand anböte. Man war selbst dabei, wie Nitsch den Kübel hielt, ja, er habe noch mit dem Zeigefinger hinein getippt. wird versichert. (Echtheitszertifikat gibt’s leider keines.) Nehmen wir an, Sichrovsky kauft den „echten Nitsch“ um sagen wir 10.000 Euro. Und dann stellt sich heraus, dass irgendwelche Buben in einer Garage diese „Kunstwerke“ zu Dutzenden hergestellt haben. Würde er dann nicht „Betrug“ schreien? Gilt’s dann auch nur der Kunst?

Ich hab’ die Nase so voll!

Was erzählt man uns noch? Das man das Lueger-Denkmal selbstverständlich ungestraft beschmieren kann, denn den „Bösen“ darf man alles antun. Der Film „Schächten“ von Thomas Roth geht da noch weiter. Da werden Entführung und Mord geradezu sanktioniert, als legitime Akte der Gerechtigkeit hingestellt, als gäbe es kein Recht mehr, wenn es um die Ahndung von Nazi-Verbrechen geht. Gut, das Recht hat versagt, Nazi-Verbrecher wurden im Nachkriegs-Österreich frei gesprochen (siehe den Fall Murer). Also sieht „ein (jüdischer) Mann rot“ – und wir sollen zufrieden nicken, ja, der Böse ist tot, ermordet, Selbstjustiz, regt Euch nicht auf, war nur ein böser Nazi.  (Natürlich tut er mir auch nicht leid, schon weil Paulus Manker ihn spielt, dem man alles gönnt…)

Ich hab’ die Nase so voll…

Da man immer Cui bono? fragen muss, fragt man sich bei den Klimaaktivisten, was in deren Kopf vorgeht, weil inzwischen klar sein sollte, dass sie mit ihren Aktionen nichts erreichen. Aber das macht nichts, mittlerweile hat man doch schon so viel Spaß an dem Ganzen, nicht wahr? Jeden Tag ein neuer Aufschrei in der Presse! So gnadenlos, wie die Palästinenser einst wahllos Menschenleben opferten, um weltweit gehört zu werden, so böswillig, wie die Taliban die Bamiyan-Buddhas zerstörten, so stören die Klimaaktivsten gewissenlos den Alltag, wenn sie auf den Straßen „kleben“ – aber nein, sie sind nicht schuld, wenn jemand stirbt, weil ihretwegen die Rettung nicht durchkommt (auch das habe ich schon gelesen!). Im übrigen haben sie sich die Kultur als Opfer ausgesucht – offenbar, weil sie eine teilweise doch noch kulturaffine Wohlstandsgesellschaft dafür verachten, wie sehr diese an ihren Van Gogh- und Monet-Gemälden hängt. Hinhauen, wo’s weh tut. Und wissen, dass viele knieweiche Politiker, die ja nichts falsch machen wollen,  jeden Satz damit beginnen werden: „Grundsätzlich haben wir ja Verständnis für die Aktionen der Aktivisten….“ Haben wir? Gretas seltsame Reden waren nicht mehr effektiv genug, jetzt muss Gewalt angewendet werden?

Ich hab’ die Nase so voll, auch wenn es in so vieler Hinsicht um Ziel und Zweck von Scheußlichkeiten geht…

Die Widerlichkeiten unserer Zeit kotzen mich an. Einen Film über junge Kannibalen in unserer Gesellschaft will ich gar nicht erst sehen. Und wenn der Titel eines Artikels lautet, „mumok: Ausstellung zwischen Urin-Gelee und Queer-Baum“, dann mag ich ihn gar nicht lesen, weil Urin-Gelee mich nicht lüstern erregt, sondern nur anwidert.

Ich hab’ die Nase so voll.

Renate Wagner

 

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