Gut gemacht, Sebastian!
Ende September geht für Deutschland (und man kann sagen: für die Welt) die Ära Merkel zu Ende. „Muttchen“ Angela ist lange genug in der Politik gewesen, um sich nicht zu wundern, wie viel Dreck ihr jetzt nachgeschmissen wird. Die Erfahrung, die Elisabeth Leopold einmal so schön formuliert hat, macht wohl jeder: „Dankbarkeit darf man keine erwarten.“
Aber ich bin sicher, dass sie das Geschenk, das Sebastian Kurz ihr gemacht hat, riesig gefreut hat – eine lebenslange Einladung zu den Salzburger Festspielen. Ich weiß ja nicht, wie man sich das vorstellen kann, aber ich hoffe doch, wir sind nicht schäbig und das beinhaltet jeden Sommer mindestens eine Woche für zwei im „Goldenen Hirschen“ und zwei Karten zu jeder Vorstellung, die sie gerne sehen möchte. Denn Frau Merkel, die jedes Jahr, wenn sie es einrichten konnte, in Bayreuth aufgekreuzt ist, macht sich zweifellos etwas aus Kultur. Ich sage immer: Nach Bayreuth fährt man nicht aus Angeberei. Wer Wagner auf diesen Holzstühlen durchsitzt, muss ihn wirklich und wahrhaftig lieben…
Ob Sebastian Kurz selbst auf die Idee dieses wunderbaren Abschiedsgeschenks an eine bedeutende Frau unserer Zeit gekommen ist, oder ob er klug genug war, dem Vorschlag seiner Berater zu folgen, weiß ich nicht. Jedenfalls hat unser Kanzler, der unter dem Verdacht stand, er wisse nicht, wie man das Wort „Kultur“ buchstabiere, hier etwas Gutes und Kluges getan. Geschenke müssen ja auch einen Sinn machen. Und etwas über den Schenkenden aussagen. Und dieser repräsentiert immerhin eine „Kulturnation“.
Außerdem scheint er keinesfalls beratungsresistent. Da hat er sich doch vor kurzer Zeit (und mit viel anderem im Kopf, nehme ich einmal an) eine Privatführung durch die Albertina-Ausstellung „American Photography“ geben und – no na – sich mit einem strahlenden Klaus Albrecht Schröder fotografieren lassen. Vielleicht lernt er es noch, dass Kultur nicht nur ein lästiges, zu vernachlässigendes Anhängsel des Lebens ist, sondern zur Erweiterung des Horizonts und zur Vertiefung von Erkenntnissen beitragen kann. 35 ist ja noch nicht zu spät, um ein bisschen umzudenken.
Apropos Angela Merkel. Mehr oder minder gleichzeitig mit ihr nimmt eine andere große Dame Abschied: Helga Rabl-Stadler. Beide Frauen haben in einer harten Männerwelt gezeigt, dass Frauenpower, die gar nicht vordergründig „eisern“ auf den Tisch klopfen muss, viel bewirkt. Angela Merkel hat der Welt zumindest gezeigt (und das war wichtig), dass man sich trotz Nazi-Vergangenheit vor Deutschland nicht mehr „fürchten“ muss. Und Helga Rabl-Stadler hat, immer milde lächelnd, vorgemacht, wie man mit Zähigkeit und Entschlossenheit auch die größten Krisen meistern kann.
Diese Damen sollten auch das lästige, wehleidige Gejammere ad absurdum geführt haben, dass Frauen es nicht in Spitzenpositionen schaffen. Wirklich nicht? Allein in Wien werden das Kunsthistorische Museum, das Belvedere, das Kunstforum, die Nationalbibliothek, das Jüdische Museum und seit ein paar Tagen auch das MAK von einer Frau geleitet, das ist eine kompakte Majorität in der hiesigen Kulturlandschaft. Und alle (Frau Hollein wollen wir gerne einen Vorschuß-Bonus geben) machen ihre Sache sehr gut. Also – es kommt nicht auf die Quoten an, sondern auf die Frauen. Wer gut ist, der schafft’s mit Leistung, und wer glaubt, dass man zum Opernstar werden kann, wenn man sich nur von Placido Domingo tätscheln lässt, der irrt.
Zurück zum Ausgangspunkt der Überlegungen: Gut gemacht, Sebastian, der „Chef“ einer Kulturnation sollte diesbezüglich wissen, wo es „lang geht“. Immerhin wurden spät, aber nicht zu spät, erfreuliche Zeichen gesetzt.
Renate Wagner